Dr. Thilo Schülke, Prof. Dr. Heribert Anzinger
Tz. 173
Problematisch ist die Bestimmung der Restlaufzeit. Teilweise steht diese bereits aufgrund vertraglicher Verpflichtungen fest. In anderen Fällen bedarf es einer Schätzung des voraussichtlichen Erfüllungszeitpunktes. Hierbei ist wiederum das Vorsichtsprinzip zu berücksichtigen, sodass von unterschiedlich langen Restlaufzeiten, die in Frage kommen, im Zweifel die längere zu wählen ist.
Tz. 174
Problematisch ist die Bestimmung der Restlaufzeit, wenn ungewisse Verbindlichkeiten über einen längeren Zeitraum erfüllt werden. Das betrifft beispielsweise:
- Rückstellungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen
- Rückstellungen für Gewährleistungsverpflichtungen
- Rückstellungen für Rekultivierungsmaßnahmen
Tz. 175
Steuerrechtlich ist für diese Fälle gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG auf den Beginn der Erfüllung der fraglichen Verpflichtung abzustellen. Handelsrechtlich wird dieses Vorgehen als unzulässig angesehen. Das IDW tritt deshalb dafür ein, die Rückstellung in mehrere Teilrückstellungen aufzuteilen ("Jahresscheiben") und ihnen ihre individuelle Restlaufzeit zuzuordnen. Dabei kann zur Vereinfachung unterstellt werden, dass die Inanspruchnahme jeweils entweder zur Jahresmitte oder zum Jahresende erfolgt. Alternativ sei es auch zulässig, die Abzinsung nach Maßgabe der durchschnittlichen Laufzeit oder der durchschnittlichen Kapitalbindungsdauer vorzunehmen.
Tz. 176
BEISPIEL
Die ABC-GmbH ist verpflichtet, Rekultivierungsmaßnahmen für den Abbau von Steinen und Erden vorzunehmen. Sie rechnet damit, dass sich die Arbeiten über drei Jahre erstrecken und zum 30.6.2015 beginnen. Dabei schätzt das Unternehmen, dass Aufwendungen folgendermaßen erforderlich werden:
- Im Geschäftsjahr 2017: 200.000 EUR
- Im Geschäftsjahr 2018: 400.000 EUR
- Im Geschäftsjahr 2019: 600.000 EUR
Hier ist fraglich, wie die Restlaufzeit für den Jahresabschluss zum 31.12.2014 zu ermitteln ist. Zunächst darf unterstellt werden, dass die Inanspruchnahme jeweils zum 30.6. erfolgt. Der von der Bundesbank veröffentlichte Zinssatz passt dabei nicht ohne Weiteres, denn sie ermittelt den Zinssatz nur für ganzjährige Laufzeiten. Es stellt sich damit die Frage, ob entweder der Zins für das laufende Jahr oder für das Vorjahr zu wählen oder ob der auf das Halbjahr entfallende Wert durch Interpolation zu ermitteln ist. Das IDW hält alle drei Wege für zulässig. Da in der Regel nicht mit wesentlichen Abweichungen zu rechnen sein dürfte, wird man dem zur Vereinfachung folgen können.
Wird in der Folge auf den Wert des vollen Jahres abgestellt, in dem die Teilverpflichtung zu erfüllen ist, ergibt sich für die auf das
- GJ 2017 entfallende Rückstellung (3 Jahre): 3,02 %
- GJ 2016 entfallende Rückstellung (2 Jahre):2,90 %
- GJ 2015 entfallende Rückstellung (1 Jahr): keine Abzinsungspflicht
Nach der Einzelbetrachtung ("Jahresscheiben") ergibt sich:
Restlaufzeit |
Undiskontiert |
Zinsatz |
Diskontiert |
3 Jahre |
600.000 |
3,02 |
548.765,264 |
2 Jahre |
400.000 |
2,90 |
377.771,545 |
1 Jahr |
200.000 |
|
200.000,00 |
Summe |
1.200.000,00 |
|
1.126.536,81 |