Tz. 695

Das Gesetz sieht in § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB ein Wahlrecht vor, selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände nicht anzusetzen (§ 248 HGB, vgl. Kapitel 5 Tz. 414). Herstellungskosten bestimmen sich im Falle des Ansatzes nach § 255 Abs. 2a HGB. Es sind die bei der Entwicklung anfallenden Aufwendungen. Forschungskosten werden ausdrücklich ausgenommen. Ist unklar, ob bereits Entwicklungs- oder noch Forschungsaufwand vorliegt, hat die Einbeziehung zu unterbleiben (Abs. 2a Satz 4); das ist aufgrund der fließenden Übergänge von Forschungs- und Entwicklungsphase praktisch von erheblicher Relevanz.[856] Forschungs- und Entwicklungskosten sind im Anhang anzugeben (§ 285 Nr. 22 HGB). Im Lagebericht ist gem. § 289 Abs. 2 Nr. 2 HGB auf den Bereich Forschung und Entwicklung einzugehen.

 

Tz. 696

Unter Forschung versteht das Gesetz die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen oder Erfahrungen aller Art, über deren technische Verwertbarkeit und wissenschaftliche Erfolgsaussichten grds. keine Aussagen gemachten werden können.

Erfasst ist die Grundlagenforschung, sog. Zweckforschung kann bereits zur Entwicklungsphase gehören, wenn sie auf die Entwicklung neuer Produkte bezogen ist und nicht bloß der Weiterentwicklung bestehender Produktlinien dient.

 

Tz. 697

Entwicklung ist definiert als die Anwendung von Forschungsergebnissen oder anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren. Die Weiterentwicklung von Gütern und Verfahren ist ebenfalls erfasst. Entscheidend für die Abgrenzung ist, ob bereits Aussagen über die Verwertbarkeit gemacht werden können; das ergibt sich aus Satz 3.[857] Insbesondere im Falle alternierender Forschung- und Entwicklungsphasen bestehen Schwierigkeiten. Eine Einbeziehung ist hier nur dann möglich, wenn sich die Phasen voneinander trennen lassen und der Entwicklungsphase nachfolgende Forschungsphasen keinen Einfluss mehr auf den wirtschaftlichen Wert der Entwicklung haben.[858] Entscheidend ist daher eine verlässliche Dokumentation von Tätigkeiten und Entscheidungen.[859]

 

Tz. 698

Entwicklungsaufwand liegt nur dann vor, wenn er sich einem bestimmten Vermögensgegenstand verlässlich zuordnen lässt. Das setzt voraus, dass bereits ein aktivierbarer Vermögensgegenstand vorliegt. Dies wird von zahlreichen Stimmen bezweifelt.[860] Sie können für ihren Standpunkt die Begründung zum Regierungsentwurf des BilMoG bemühen, wonach nur erforderlich sein sollte, dass die Entstehung eines Vermögensgegenstandes mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann.[861] Auch entspricht diese Sicht praktischen Anforderungen. Sie findet indes keine Stütze im Gesetz. Daneben hat der Gesetzgeber in der Beschlussfassung zum BilMoG schließlich zum Ausdruck gebracht, an den Ansatzkriterien auch für selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände nichts ändern zu wollen.[862] Nach historischer und systematischer Auslegung wollte der Gesetzgeber folglich die Kriterien für den Ansatz von Vermögensgegenständen nicht dahingehend aufweichen, dass im Falle von originären Immaterialgütern ein Nicht-Vermögensgegenstand aktivierbar wäre.[863] Ein anderes Bezugsobjekt besteht aber nicht.

 

Tz. 699

 

BEISPIEL

Armaturenhersteller B möchte einen Wasserhahn auf den Markt bringen, der sowohl kochend heißes wie auch eiskaltes Wasser spendet. Die vorangehende Untersuchung des Marktes sowie die Machbarkeitsstudie verursachen nichtaktivierungsfähige Forschungsaufwendungen. Design und technische Umsetzung sind unter der Voraussetzung der nachgewiesenen Nutzbarkeit als Entwicklungsaufwendungen zu aktivieren.

 

Tz. 700

Um den praktischen Anforderungen und dem gesetzgeberischen Ziel, Entwicklungskosten für originäres immaterielles Anlagevermögen für Informationszwecke ansatzfähig zu machen, entgegenkommen und gleichzeitig den Vermögensgegenstandsbegriff nicht zu überspannen, wird teilweise vorgeschlagen die Nachaktivierung bereits aufwandswirksam verbuchter Aufwendungen zuzulassen.[864] Die h. M. lehnt dies jedoch ab.[865] Ein entsprechendes Verbot ist dem Gesetz allerdings nicht ausdrücklich zu entnehmen.[866] Die Befürworter hingegen argumentieren folgendermaßen: Sicherlich vertrage es sich nicht mit der Rechenschaftsfunktion sowohl von Buchführungs- als auch Bilanzierungspflicht, dass einmal getroffene Zweckbestimmungen für Aufwendungen beliebig geändert werden.[867] Im Falle von Immaterialgütern, deren Herstellungsprozess nicht durch den Verbrauch von Rohstoffen, sondern vor allem durch Personalkosten bestimmt wird, weshalb es regelmäßig um ein "alles oder nichts" geht, erscheine nach der genannten Ansicht eine differenzierte Betrachtung aber möglich. Das gelte umso mehr, als aus der Aktivierung resultierende Gewinne ohnehin ausschüttungsgesperrt sind. Danach solle eine Nachaktivierung möglich sein, wenn ein Ansatz von Entwicklungskosten in Vorjahresperioden nur deshalb unterblieben ist, weil die Entwicklungsbemühungen noch nicht zu einem ansatzfähigen Vermögensgegenstand gefüh...

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