Dr. Falk Mylich, Dr. Mathias Link
Tz. 66
Gem. § 302 Abs. 1 AktG wird der bilanzielle Jahresverlust einer Aktiengesellschaft durch das andere Unternehmen (Mutterunternehmen) ausgeglichen, wenn es abhängiges Unternehmen bei einem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag ist. Auf eine körperschaftsteuerliche Organschaft (§§ 14 ff. KStG) kommt es nicht an. Das Mutterunternehmen muss nicht direkt am abhängigen Unternehmen beteiligt sein. Ein Verlustausgleich gem. § 302 AktG kann auch durch einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag zwischen Muttergesellschaft und Enkelgesellschaft geschehen; ebenso ist eine Kette von Unternehmensverträgen denkbar, sodass das Mutterunternehmen zumindest mittelbar immer die Verluste der Enkelgesellschaft ausgleicht. § 264 Abs. 3 Nr. 2 HGB korrespondiert mit Nr. 3. Daher ist dem Wortlaut nach die Konstellation nicht erfasst, dass die Tochtergesellschaft die Verluste der Enkelgesellschaft ausgleicht, die Enkelgesellschaft gleichwohl in den Konzernabschluss der Muttergesellschaft einbezogen ist. Diese Lösung wäre nur richtig, wenn das ausgleichs- und konzernabschlusspflichtige Mutterunternehmen im Vordergrund stünde. Mit Blick auf § 264 HGB als Vorschrift zum Einzelabschluss steht aber das bilanzierende Enkelunternehmen im Vordergrund. Solange es in einen Konzernabschluss (der Muttergesellschaft) einbezogen wird, ist es gleichgültig, wer den Verlust bei der Enkelgesellschaft ausgleicht. Das kann eben auch durch eine (zwischengeschaltete) Tochtergesellschaft geschehen, die selbst nur faktisch vom Mutterunternehmen abhängig ist. Letztlich droht auch keine Aushebelung der Gläubigerinteressen durch Zwischenschaltung einer weitestgehend vermögenslosen GmbH. § 297 Abs. 1 Satz 2 AktG berechtigt zur außerordentlichen Kündigung für den Fall, dass die andere Vertragspartei ihren Pflichten wahrscheinlich nicht nachkommen kann. Zur Vermeidung einer eigenen Haftung muss der Vorstand daher das Zustandekommen eines derartigen Unternehmensvertrags unterlassen bzw. später außerordentlich kündigen.
Tz. 67
Der Verlustausgleich muss für das kommende Geschäftsjahr existieren; es kommt nicht auf das aktuelle Geschäftsjahr an. Potenziellen Gläubigern, die sich nur auf Konzernabschluss und Verlustübernahme verlassen können, nutzt der jetzige Verlustausgleich nichts; vielmehr sind sie auf einen künftigen Verlustausgleich angewiesen. Daher muss der Unternehmensvertrag zumindest bis zum Ende des neuen Geschäftsjahres wirksam bleiben. Wird der Unternehmensvertrag unterjährig außerordentlich gekündigt, entfällt die Befreiung gem. § 264 Abs. 3 HGB rückwirkend, es sei denn, eine Haftung ist gleichwohl bis zum Ende des Geschäftsjahres gesichert.
Tz. 68
Für § 264 Abs. 3 HGB soll es darauf ankommen, dass der Unternehmensvertrag wirksam war. Hier muss zwischen einem inexistenten und einem nur fehlerhaften Unternehmensvertrag unterschieden werden. Bei einem fehlerhaften Unternehmensvertrag gelten die Prinzipien zur fehlerhaften Gesellschaft und er wird bis zu seiner außerordentlichen Kündigung als wirksam behandelt. Wird der Unternehmensvertrag als inexistent behandelt, ist es richtig, § 264 Abs. 3 HGB nicht anzuwenden. Die konkreten Fälle sind aber umstritten; so ist unklar, ob ein im Handelsregister nicht eingetragener, aber durchgeführter Unternehmensvertrag inexistent oder fehlerhaft ist. Umstritten ist auch die Einordnung des nichtigen bzw. angefochtenen Zustimmungsbeschlusses. Gelten hingegen die Prinzipien der fehlerhaften Gesellschaft, kann der Unternehmensvertrag nicht mit Vergangenheitswirkung vernichtet werden. In diesem Fall muss man daher differenzieren: Stellt sich bei Aufstellung des Jahresabschlusses die Unwirksamkeit des Unternehmensvertrags heraus, kann § 264 Abs. 3 HGB nicht angewendet werden; das abhängige Unternehmen kann den Unternehmensvertrag jederzeit außerordentlich kündigen. Stellt sich nach Feststellung des Jahresabschlusses im gleichen Jahr noch die Unwirksamkeit des Unternehmensvertrags heraus, ist der Verlustausgleich bis zum Jahresende nicht gesichert. § 264 Abs. 3 HGB kann daher nicht angewendet werden und der Jahresabschluss ist noch einmal aufzustellen. Stellt sich die Unwirksamkeit des Unternehmensvertrags aber erst im Folgejahr von Aufstellung und Feststellung heraus, ist der Jahresabschluss wirksam. Der Verlustausgleich war für das Folgejahr gesichert.
BEISPIEL
Zum 01.01.01 wird zwischen der T-AG und der M-AG ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen. Dieser ist (unerkannt) fehlerhaft, wird jedoch im Handelsregister eingetragen und durchgeführt. Für die Jahre 01, 02 und 03 wurde die Befreiung gem. § 264 Abs. 3 HGB für den JA der T-AG erteilt. Der JA für das Jahr 01 wurde Anfang 02 aufgestellt und festgestellt, der JA für 02 wurde Anfang 03 aufgestellt und festgestellt, der JA für 03 wurde Anfang 04 aufgestellt und festgestellt. Ende 04 stellt sich die Fehlerhaftigkeit des Unternehmensvertrags heraus. Die Jahresabschlüsse für 01 und 02 sind d...