Rz. 1340

Kapitalgesellschaften, die als Tochtergesellschaft in den Konzernabschluss eines Mutterunternehmens mit Sitz in der Europäischen Union oder einem EWR-Staat einbezogen werden, erfahren unter den Voraussetzungen des § 264 Abs. 3 und 4 HGB Erleichterungen bei der Aufstellung, Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlusses und Lageberichts. Für sie gelten dann nur noch die Regeln, die für alle Kaufleute maßgeblich sind. Im Einzelnen bedeutet dies – vorbehaltlich anderweitiger Satzungsbestimmungen[1] –:

  • Entfallen der Verpflichtung zur Aufstellung eines Anhangs und des Lageberichts und der Beachtung der ergänzenden Vorschriften für Kapitalgesellschaften (§§ 264289 HGB);
  • Entfallen der Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlusses und des Lageberichts (§§ 316329 HGB).
 

Rz. 1341

Einer Tochter-GmbH steht es frei, von diesen Erleichterungen auch nur teilweise Gebrauch zu machen.[2]

 

Rz. 1342

Diese Erleichterungen können nur in Anspruch genommen werden, wenn die nachfolgenden Voraussetzungen des § 264 Abs. 3 und 4 HGB kumulativ[3] erfüllt sind:

  • die GmbH ist ein Tochterunternehmen eines zur Aufstellung eines Konzernabschlusses[4] verpflichteten bzw. eines einen Konzernabschluss freiwillig aufstellenden[5] Mutterunternehmens mit Sitz im Inland oder EU/EWR-Ausland;
  • Aufstellung und Prüfung eines Konzernabschlusses und -jahresberichts erfolgen durch das Mutterunternehmen nach dem Recht des Sitzstaates und (für Geschäftsjahre ab dem 31.12.2015) unter Beachtung der "Rechnungslegungsrichtlinie" und der "Abschlussprüferrichtlinie";
  • es liegt die Zustimmung zur Befreiung durch alle[6] Gesellschafter der GmbH[7] vor und diese Zustimmung ist nach § 325 HGB offengelegt;
  • das Mutterunternehmen ist zur Verlustübernahme[8] (auf freiwillig eingegangener, vertraglicher Basis oder auf Basis des § 302 AktG analog[9]) verpflichtet und diese Tatsache ist nach § 325 HGB offengelegt;[10]
  • das Tochterunternehmen ist vollständig in den Konzernabschluss und Lagebericht einbezogen ("Vollkonsolidierung");[11]
  • die Befreiung ist im Anhang des Konzernabschlusses des Mutterunternehmens angegeben;
  • Konzernabschluss, Konzernlagebericht und diesbezüglicher Bestätigungsvermerk für das Tochterunternehmen sind nach § 325 HGB offengelegt.
 

Weitere Befreiungsmöglichkeit

Eine entsprechende Befreiungsmöglichkeit besteht auch, wenn das Mutterunternehmen der GmbH eine Gesellschaft ist, die gem. § 11 PublG einen Konzernabschluss aufstellt und dabei nicht vom Wahlrecht des § 13 Abs. 3 Satz 1 PublG Gebrauch macht (§ 264 Abs. 4 HGB).[12]

[1] Winnefeld, in Winnefeld Bilanz-Handbuch, Kap. C Rn. 121; Hoffmann, in Heidel/Schall, HGB, § 264 Rn. 22.
[2] Winkeljohann/Deubert, in Beck’scher Bilanzkommentar, HGB, § 264 Rn. 106; Hoffmann, in Heidel/Schall, HGB, § 264 Rn. 22.
[3] Böcking/Gros, in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 264 Rn. 43; Morck/Drüen, in Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, § 264 Rn. 11; Winkeljohann/Deubert, in Beck’scher Bilanzkommentar, HGB, § 264 Rn. 115.
[4] Ausreichend ist nach der Intention des Gesetzgebers auch die Aufstellung eines Konzernabschlusses nach EU-IFRS (BT-Drucks. 18/5256 S. 80 f.).
[5] Böcking/Gros, in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 264 Rn. 44; Winkeljohann/Deubert, in Beck’scher Bilanzkommentar, HGB, § 264 Rn. 118; a. A. Reiner, in MüKo-HGB, § 264 Rn. 121.
[6] Selbst ein einstimmiger Beschluss ist bei Abwesenheit auch nur eines Gesellschafters nicht ausreichend – Winkeljohann/Deubert, in Beck’scher Bilanzkommentar, HGB, § 264 Rn. 129; Reiner, in MüKo-HGB, § 264 Rn. 123.
[7] Diese Zustimmung muss für jedes Geschäftsjahr neu erteilt werden. Vorratsbeschlüsse für mehrere Geschäftsjahre oder allgemeine Satzungsbestimmungen reichen nicht aus – Winkeljohann/Deubert, in Beck’scher Bilanzkommentar, HGB, § 264 Rn. 132; Winnefeld, in Winnefeld Bilanz-Handbuch, Kap. C Rn. 122.
[8] Zum mehrstufigen Konzern Winkeljohann/Deubert, in Beck’scher Bilanzkommentar, HGB, § 264 Rn. 171 ff.
[9] Reiner, in MüKo-HGB, § 264 Rn. 124.
[10] Aus Vorsichtsgründen auch bei gesetzlicher Verlustübernahmepflicht (§ 302 AktG), obwohl bereits der Unternehmensvertrag gem. § 294 AktG in das Handelsregister einzutragen ist – Winkeljohann/Deubert, in Beck’scher Bilanzkommentar, HGB, § 264 Rn. 193.
[11] Winkeljohann/Deubert, in Beck’scher Bilanzkommentar, HGB, § 264 Rn. 116; Giese/Rabenhorst/Schindler, in BB 2001, S. 511, 513.
[12] Siehe hierzu Winkeljohann/Deubert, in Beck’scher Bilanzkommentar, HGB, § 264 Rn. 215 ff.

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