Tz. 276

Voraussetzung für die verpflichtende Einrichtung eines Prüfungsausschusses nach § 324 HGB ist das Vorliegen einer kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft nach § 264d HGB.[583] Weiterhin darf die kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft nicht über einen Aufsichts- oder Verwaltungsrat verfügen, welcher die Voraussetzungen des § 100 Abs. 5 AktG erfüllen muss, der besagt, dass bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften mindestens ein unabhängiges Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf den Gebieten der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen muss. Damit fallen eine Reihe von Gesellschaftsformen aus dem Geltungsbereich des § 324 HGB. Die Vorschrift zum Aufsichtsrat in § 100 Abs. 5 AktG ist anzuwenden von AG sowie mittelbar über entsprechende Verweise von den KGaA (§ 278 Abs. 3 AktG), von den dualistisch verfassten SE (Art. 9 Abs. 1c SE-VO), von den als GmbH verfassten Kapitalgesellschaften (§ 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 InvG) und von den mitbestimmten GmbH (§ 6 Abs. 2 Satz 1, § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG, § 3 Abs. 2 Montan-MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG). Weiterhin sind die aktienrechtlichen Vorschriften über Parallelnormen bzw. Bezüge auf § 100 Abs. 5 AktG anzuwenden von Genossenschaften (§ 36 Abs. 4 GenG), von europäisch verfassten Genossenschaften (§ 19 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 Satz 1 und 2 SCEAG) sowie von monistisch verfassten SE (§ 27 Abs. 1 Satz 4, § 34 Abs. 4 Satz 4 und 5 SEAG).[584] Gem. § 107 Abs. 3 AktG können diese Gesellschaften einen Prüfungsausschuss einrichten. Es gelten dann jedoch nicht die Vorschriften für alleinstehende Prüfungsausschüsse gemäß § 324 HGB.

Damit ergeben sich im deutschen Recht grundsätzlich drei Fälle, in denen ein Gremium einer kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft die von der 8. EU-Richtlinie im Art. 41 geforderten Aufgaben ausübt:[585]

  • Der Aufsichts- oder Verwaltungsrat nimmt die Aufgaben wahr, d. h., es erfolgt keine Einrichtung eines Prüfungsausschusses.
  • Ein freiwillig eingerichteter Prüfungsausschuss als Aufsichtsratsausschuss nimmt die Aufgaben wahr.
  • Ein verpflichtend einzurichtender alleinstehender Prüfungsausschuss gem. § 324 HGB nimmt die Aufgaben wahr.

Da, wie erläutert, zahlreiche Gesellschaftsformen von der Anwendung des § 324 HGB ausgeschlossen sind, fallen im Wesentlichen die folgenden Gesellschaftsformen in den Geltungsbereich des § 324 HGB, sofern diese kapitalmarktorientiert sind und nicht gem. § 324 Abs. 1 Satz 2 HGB befreit sind:

  • die mitbestimmungsfreie GmbH, unter der Voraussetzung, dass deren Satzung nicht eine freiwillige Bestellung eines Aufsichtsrats vorsieht, da in diesem Fall ein Überwachungsorgan vorliegt und über den Verweis des § 52 GmbHG das AktG zur Anwendung kommt
  • die OHG und die KG nach § 264a HGB, d. h. die GmbH & Co. KG
  • kapitalmarktorientierte Kreditinstitute in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft (vgl. § 340k HGB)
  • Versicherungsunternehmen in der Rechtsform des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (vgl. § 341k Abs. 4 HGB)
 

Tz. 277

Entsprechend den europarechtlichen Vorgaben in Art. 41 der 8. EU-Richtlinie werden gem. § 324 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB solche Gesellschaften von der verpflichtenden Einrichtung eines Prüfungsausschusses befreit, deren ausschließlicher Zweck in der Ausgabe von Wertpapieren i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG besteht, welche durch Vermögensgegenstände (Asset Backed Securities) gesichert sind. Diese Emittenten von Asset Backed Securities müssen jedoch im Anhang darlegen, weshalb kein Prüfungsausschuss eingerichtet wurde, sofern sie die Befreiung in Anspruch nehmen. Weiterhin sind nach § 324 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HGB solche Kreditinstitute gem. § 340 Abs. 1 HGB befreit, welche den organisierten Markt nur durch die Ausgabe von bestimmten Schuldtiteln i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG in Anspruch nehmen. Voraussetzung ist damit, dass der Nominalwert der Schuldtitel 100 Mio. EUR nicht übersteigt und keine Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Prospekts nach dem Wertpapierprospektgesetz besteht.

 

Tz. 278

Entsprechend Art. 66 Abs. 4 EGHGB besteht die Pflicht zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses i. S. d. § 324 HGB seit dem 01.01.2010.

[583] Gem. § 264d HGB ist eine Kapitalgesellschaft dann kapitalmarktorientiert, wenn sie einen organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 5 WpHG durch von ihr ausgegebene Wertpapiere i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 WpHG in Anspruch nimmt oder die Zulassung solcher Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt beantragt hat. Der deutsche Gesetzgeber präzisiert damit den in der 8. EU-Richtlinie verwendeten Begriff "Unternehmen von öffentlichem Interesse".
[584] So auch Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067 vom 30.07.2008, 91 f.
[585] So z. B. auch Hucke, in: Baetge/Kirsch/Thiele, BilanzR, § 324 HGB Rn. 6.

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