aa) Vorlagepflicht (Abs. 1 Satz 1)

 

Tz. 156

Im Anschluss an die Aufstellung sind der Jahresabschluss und der Lagebericht dem Abschlussprüfer unverzüglich vorzulegen. Zum Jahresabschluss gehören neben Bilanz und GuV auch der Anhang und im Falle des § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die Kapitalflussrechnung sowie der Eigenkapitalspiegel. Nach § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB besteht eine Aufstellungspflicht für prüfungspflichtige Gesellschaften innerhalb von drei Monaten nach dem Ende des jeweiligen Geschäftsjahres. Daher sind diese dem Abschlussprüfer spätestens mit Ablauf dieser Frist vorzulegen. Sofern die Aufstellung bereits früher erfolgt, ist eine frühere Vorlage an den Abschlussprüfer geboten, um einen angemessenen Zeitraum für die Abschlussprüfung zu gewährleisten.[194]

 

Tz. 157

Die Vorschrift des § 320 Abs. 1 Satz 1 HGB basiert auf der Vorstellung, dass das zu prüfende Unternehmen den Jahresabschluss und den Lagebericht zunächst aufstellt und die Abschlussprüfung erst im Anschluss an die Aufstellung beginnt. In der Praxis ist diese Sichtweise im Regelfall nicht mehr anzutreffen. Stattdessen kommt es – ausgehend von der Komplexität der Rechnungslegung und zunehmendem Termindruck – zu einer aufstellungsbegleitenden Prüfung.

Grundsätzlich geht die Aufstellungsphase bis zur Feststellung des Abschlusses. Somit können im Rahmen der Abschlussprüfung durch die gesetzlichen Vertreter bereits vorgelegte Unterlagen bis zur Beendigung der Abschlussprüfung wieder geändert werden. Hierdurch kommt die sog. Korrektivfunktion des Abschlussprüfers zum Ausdruck, da bei der Abschlussprüfung entdeckte und in der Folge von der geprüften Gesellschaft berichtigte Fehler nicht in das Prüfungsurteil einzubeziehen sind.[195] Werden Änderungen nach Beendigung der Abschlussprüfung vorgenommen, lösen diese eine Pflicht zur Nachtragsprüfung aus (§ 316 Abs. 3 HGB).

 

BEISPIEL

Beispiel zur Korrektivfunktion des Abschlussprüfers[196]

Im Rahmen der Abschlussprüfung der XY-AG stellt der Abschlussprüfer fest, dass für die im laufenden Jahr angeschafften, eine Nutzungsdauer von fünf Jahren aufweisenden Produktionsmaschinen keine planmäßigen Abschreibungen vorgenommen wurden, obwohl dies nach seinen Feststellungen zwingend geboten ist.

Nach Mitteilung dieser Feststellung an die Geschäftsleitung der XY-AG wird die erforderliche Anpassung des Jahresabschlusses von Unternehmensseite vorgenommen. Da der festgestellte Fehler im endgültigen geprüften Jahresabschluss nicht mehr enthalten ist, hat die Feststellung des Abschlussprüfers keine Auswirkungen auf den Bestätigungsvermerk.

bb) Prüfungsrecht (Abs. 1 Satz 2)

 

Tz. 158

Nach dem Wortlaut des § 320 Abs. 1 Satz 2 HGB haben die gesetzlichen Vertreter dem Abschlussprüfer die Prüfung von Büchern und Schriften sowie von Vermögensgegenständen und Schulden, namentlich die Kasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, zu gestatten. Die Aufzählung kann nicht mehr als zeitgemäß angesehen werden und muss im Sinne des Regelungszwecks ausgelegt werden. So erstreckt sich das Prüfungsrecht auf alle im Zusammenhang mit rechnungslegungs- und prüfungsrelevanten Fragestellungen stehenden Unterlagen. Ob sich diese bspw. auf die Prüfung der Bilanz, des Lageberichts oder auf spezifische Ansatz- oder Bewertungsfragen beziehen und, ob diese Informationen und Unterlagen in Papierform oder IT-gestützt vorhanden sind ist unbedeutend.[197]

 

Tz. 159

Das Prüfungsrecht erstreckt sich insbesondere auf die in § 257 Abs. 1 Nr. 1–4 HGB aufgelisteten Unterlagen. Der Abschlussprüfer besitzt das Recht zur Prüfung von Buchführungsunterlagen (über Grund-, Haupt- und Nebenbücher bis hin zu einzelnen Buchungsbelegen), Originalbelegen (bspw. Eingangs- und Ausgangsrechnungen, Kontoauszüge oder Verträge) sowie der EDV-Buchführung. Mit Blick auf die Prüfungspflicht, die sich auch auf in die Zukunft gerichtete Aussagen erstreckt (u. a. Fortführungsprognose), bezieht sich das Prüfungsrecht auch auf zukunftsgerichtete Unterlagen (bspw. Planungs- und Investitionsrechnungen). Er hat somit das Recht auf alle Informationen des rechnungslegungsbezogenen Informationssystems und ggf. weiterer Unterlagen zuzugreifen, die er für die ordnungsgemäße Prüfungsdurchführung benötigt. Kommt es zu gesetzlichen Erweiterungen des Prüfungsumfangs, hat dies auch eine entsprechende Erweiterung des Unterlagenspektrums zur Konsequenz.[198]

 

Tz. 160

Das Prüfungsrecht gewährt dem Abschlussprüfer die Durchführung aller Prüfungshandlungen, die er als erforderlich betrachtet. Hierzu zählen insbesondere Einsichtnahmen, Inaugenscheinnahmen (u. a. der Zutritt zu den Geschäftsräumen der zu prüfenden Gesellschaft), Beobachtungen (u. a. Vorratsinventur), Nachvollziehen und Berechnungen.[199]

Die zu prüfende Gesellschaft kann die Gewährung der Einsichtnahme durch den Abschlussprüfer nicht unter Berufung darauf verweigern, dass die entsprechenden Unterlagen vertraulich seien. Dies gilt neben ge...

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