aa) Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung
Tz. 181
Nach Abs. 1 Nr. 2 braucht ein Tochterunternehmen nicht in den Konzernabschluss einbezogen zu werden, wenn die für die Aufstellung des Konzernabschlusses erforderlichen Angaben nicht ohne unverhältnismäßig hohe Kosten oder unangemessene Verzögerungen zu erhalten sind. Die unbestimmten Rechtsbegriffe "unverhältnismäßig" und "unangemessen" sind restriktiv auszulegen, d. h., die Norm sollte nur außergewöhnliche Ausnahmefälle erfassen, die im Wesentlichen auf Tatsachen beruhen, die durch das Mutterunternehmen nicht beeinflusst werden können.[302] Ansonsten könnte ein Mutterunternehmen geneigt sein, die Tatbestandsvoraussetzungen (z. B. durch Mängel im konzerninternen Informationssystem) künstlich zu erzeugen oder zumindest nicht zu beseitigen.[303]
bb) Unverhältnismäßig hohe Kosten
Tz. 182
Nach (zutreffender) h. M. ist für die Frage der Unverhältnismäßigkeit der Kosten auf das Verhältnis zwischen dem zu erwartenden Aufwand und dem aus der Einbeziehung resultierenden Informationszuwachs abzustellen.[304] Nicht maßgeblich ist ein Vergleich mit den Kosten für die Konsolidierung eines vergleichbaren Tochterunternehmens in vergleichbarer Lage.[305] Ein Verzicht auf die Einbeziehung kommt nur bei einem deutlichen Missverhältnis in Betracht. Dabei sind sämtliche relevante Faktoren zur berücksichtigen, wie[306]
- Sitz,
- Größe und Tätigkeit des Unternehmens,
- Organisation des Rechnungswesens,
- Intensität konzerninterner Verflechtungen und
- Erwartungen der Adressaten.
Irrelevant sind demgegenüber Kosten, die aus der Anpassung einer nicht gesetzeskonformen Rechnungslegung (im In- oder Ausland) resultieren.[307]
cc) Unangemessene Verzögerungen
Tz. 183
Die Unverhältnismäßigkeit (seit demBilRUG: Unangemessenheit) einer Verzögerung ist gegeben, wenn der Konzernabschluss nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von fünf Monaten (in Ausnahmefällen: von vier Monaten; vgl. Tz. 33) aufgestellt werden kann.[308] Unschädlich ist demgegenüber, wenn die Hauptversammlung/Gesellschafterversammlung, welcher der Konzernabschluss vorgelegt werden muss, auf einen späteren (aber noch zulässigen) Termin verlegt werden kann und die dadurch entstandenen Kosten nicht unverhältnismäßig hoch sind.[309]
dd) Mögliche Fallgruppen
Tz. 184
Anerkannte Anwendungsfälle des Abs. 1 Nr. 2 sind Fälle externer höherer Gewalt wie
- gravierende technische Probleme (z. B. Zusammenbruch der Datenverarbeitung; Vernichtung von Datenbeständen),
- Streiks,
- Naturkatastrophen,
- Terroranschläge,
- politische Behinderungen.
Mängel bei der internen Organisation des Rechnungswesens sind nicht relevant.[310]
Tz. 185
Der Erwerb eines Tochterunternehmens kurz vor/am Abschlussstichtag kann in Ausnahmefällen unter Abs. 1 Nr. 2 fallen, wenn hinsichtlich des Rechnungswesens umfangreichere Umstellungs- und Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen sind.[311] Allerdings können hier unter Umständen weniger einschneidende Maßnahmen ergriffen werden (zwischenzeitlicher Verzicht auf die Vereinheitlichung abweichender Bewertungsmethoden, vgl. § 308 Abs. 2 Satz 4 HGB; Kapitalkonsolidierung auf Grundlage vorläufiger Wertansätze, vgl. § 301 Abs. 2 Satz 2 HGB; "Rumpfkonsolidierung" bereits im Jahre des Erwerbs)[312].
Bei Veräußerung eines Tochterunternehmens kurz nach dem Abschlussstichtag kann es in Einzelfällen zu unzumutbaren Verzögerungen bei der notwendigen Informationsbeschaffung kommen (vgl. Tz. 178).
Tz. 186
Bei einer Konsolidierung nach § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB auf Grundlage der Mehrheit der Chancen und Risiken (insbesondere bei Zweckgesellschaften), kann sich das so beherrschende Mutterunternehmen auf Abs. 1 Nr. 2 grundsätzlich nicht mit der Begründung berufen, dass es mangels Gesellschafterstellung die notwendigen Informationen nicht rechtzeitig erhält.[313]
ee) Folgen bei Nichtkonsolidierung
Tz. 187
Eine Einbeziehung nach Maßgabe der Equity-Methode sollte grundsätzlich möglich sein.[314]
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