Rz. 29

Als zweites sachlich begründetes Einbeziehungswahlrecht sieht § 296 Abs. 1 Nr. 2 HGB vor, dass die Einbeziehung eines TU in den Konzernabschluss unterbleiben kann, wenn die für die Aufstellung des Konzernabschlusses erforderlichen Angaben nicht ohne unverhältnismäßig hohe Kosten oder unangemessene Verzögerungen zu erhalten sind.

Zur Einordnung des Kriegs in der Ukraine vgl. Rz 32.

 

Rz. 30

In Bezug auf die Kosten ist für die Ausübung des VollKons-Wahlrechts ein deutlich erkennbares Missverhältnis zwischen den Kosten der Abschlusserstellung, d. h. den Kosten für die Beschaffung der Informationen, und dem zu erwartenden Informationsgewinn zu verlangen.[1] Dabei ist nur auf die Kosten abzustellen, die zusätzlich für eine VollKons im Gegensatz zur Bewertung at equity entstehen. Vergleichbare Unt können in Bezug auf die Konsolidierungskosten als Maßstab nicht herangezogen werden.[2] Ein objektives Ergebnis lässt sich so – wie auch grds. – nicht erreichen, da "Standardkosten" für eine Kons. nicht existieren und auch der mit der VollKons einhergehende Informationszuwachs etwa von der Wesentlichkeit des TU abhängig ist.

 

Rz. 31

Auch das Zeitfenster für unangemessen hohe Verzögerungen ist nicht objektivierbar. Entsprechende Verzögerungen sind ohnehin nur denkbar, wenn die Einhaltung der Aufstellungsfrist von fünf Monaten i. S. d. § 290 Abs. 1 HGB bzw. der kürzeren Zeitspanne von vier Monaten bei nach § 325 Abs. 3 HGB offenlegungspflichtigen kapitalmarktorientierten Unt nicht möglich ist. Die Verletzung freiwillig verkürzter Abgabetermine erfüllt generell nicht den Tatbestand einer unverhältnismäßig hohen Verzögerung.[3] Auch "organisatorische Unzulänglichkeiten" begründen kein Einbeziehungswahlrecht gem. § 296 Abs. 1 Nr. 2 HGB.

 

Rz. 32

Da die Begriffe unverhältnismäßig hohe Kosten oder unangemessene Verzögerungen objektiv nicht quantifizierbar sind, für die Aufstellung eines Konzernabschlusses eine bis zu fünfmonatige Frist besteht und die heutigen Kommunikationsmöglichkeiten einen umfassenden und zeitnahen Datentransfer ermöglichen, sollte dieses an Wirtschaftlichkeitsüberlegungen orientierte Wahlrecht sehr restriktiv ausgelegt werden und nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen.[4]

 
Praxis-Beispiel
  • Als Ausnahmefall könnte z. B. die Integrationsphase eines TU nach dem Erwerb zum Ende des Gj gelten, d. h., das Buchführungs- und Informationssystem dieses TU konnte bis zum Bilanzstichtag noch nicht auf Konzernerfordernisse umgestellt werden.
  • Auch außergewöhnliche Ereignisse, wie der Zusammenbruch der EDV oder die Vernichtung von Unterlagen aufgrund von Naturkatastrophen, können als Ausnahmefälle angesehen werden.
  • Nach Ansicht des IDW kann der Krieg in der Ukraine in begründeten Ausnahmefällen eine unangemessene Verzögerung i. S. d. § 296 Abs. 1 Nr. 2 HGB begründen. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn die notwendigen Informationen vom TU nicht oder nur erheblich verzögert an das MU geliefert werden. Sofern jedoch vorläufige Informationen mit vertretbarem Aufwand hochgerechnet und ggf. später in ihrem Wert aufgehellt werden können (vgl. auch Rz 35), soll die Anwendung ausgeschlossen sein.[5]

Stets wäre aber zu fragen, warum dann nicht zumindest eine provisorische ErstKons gem. § 301 Abs. 2 Satz 2 HGB vorgenommen werden kann. S. hierzu auch Rz 24.

 

Rz. 33

Systematisch höhere Konsolidierungskosten, wie sie etwa bei TU in Hochinflationsländern anzutreffen sind (§ 308a Rz 41 f.), begründen grds. kein Recht auf Inanspruchnahme der Möglichkeit der Befreiung gem. § 296 Abs. 1 Nr. 2 HGB.[6] Allerdings kann i. R. d. Prüfung nach Abs. 2 bei in Summe nicht wesentlichen Unt die Auswahl aktiv dahingehend gesteuert werden, dass insb. die einbeziehungsaufwendigeren (nicht wesentlichen) TU ausgeschlossen werden (Rz 45).

 

Rz. 34

Das Wahlrecht zur Nichteinbeziehung eines TU kann nicht allein damit begründet werden, dass der Konzernabschluss auf der bereits terminierten HV nicht vorgelegt werden kann, soweit die Aufstellungsfrist noch nicht überschritten ist.[7]

 

Rz. 35

Das VollKons-Wahlrecht nach Abs. 1 Nr. 2 kann stets nur für ein Jahr gelten, da es – wenn überhaupt – lediglich durch extreme Ausnahmesituationen, wie außergewöhnliche Ereignisse oder Katastrophenfälle, begründbar ist.[8] Die in § 301 Abs. 2 Satz 2 HGB vorgesehene Möglichkeit einer provisorischen ErstKons mit verlängertem Wertaufhellungszeitraum degradiert das Einbeziehungswahlrecht zusätzlich zu einem überwiegend bedeutungslosen Tatbestand. Eine Nichteinbeziehung wegen eintretender Verzögerungen ist kaum mehr vertretbar und in der Praxis bereits höchst selten. Sollte das MU selbst eine provisorische ErstKons nicht zeitnah durchführen können, muss sich das Management zudem mit der Frage konfrontiert sehen, auf welcher Grundlage es die Erwerbsentscheidung eigentlich getroffen hat.

[1] Vgl. Störk/Deubert, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 296 HGB Rz 15 f.
[2] So vorgeschlagen von Sahner/Kammers, in Küting/Weber, HdK, 2. Aufl. 1998, § 296 HGB Rn 16; ablehnend ADS, Rechnungslegung ...

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