Tz. 58

Unter potenziellen Stimmrechten sind gemäß IFRS 10.B47 Rechte auf den Erwerb von Stimmrechten in einem Beteiligungsunternehmen zu verstehen. Diese können aus wandelbaren Instrumenten oder Optionen unter Einschluss von Terminkontrakten entstehen.

 

Tz. 59

Bei der Beurteilung der Beherrschung hat der Investor sowohl seine eigenen potenziellen Stimmrechte als auch die potenziellen Stimmrechte anderer Parteien zu berücksichtigen. Dabei ist eine Berücksichtigung allerdings lediglich dann geboten, sofern die Rechte substanziell sind (IFRS 10.B47).

Ob potenzielle Stimmrechte als substanziell eingestuft werden können, ist wesentlich von der Ausgestaltung der Bedingungen zur Umwandlung potenzieller Stimmrechte in tatsächliche Stimmrechte abhängig. Einzubeziehen in die Beurteilung sind darüber hinaus auch die Vorteilhaftigkeit sowie die Möglichkeit und Motivation zur Ausübung der Umwandlung.[124]

 

Tz. 60

Strittig ist die Frage, ob bzw. inwieweit eine ggf. geäußerte Absicht zur Ausübung beachtlich ist. Nach im Schrifttum vertretener Auffassung[125] ist im Interesse der Objektivierung ein rationales Handeln des Managements zu unterstellen. Die Ausübungsabsicht ist demnach anzunehmen, sofern eine Vorteilhaftigkeit der Option gegeben ist und ihrer Ausübung keine finanziellen oder anderweitigen Hürden entgegenstehen. Demzufolge ist davon auszugehen, dass ein rational handelnder Gesellschafter eine zum Beurteilungszeitpunkt deutlich unvorteilhafte Option (aus dem Geld) nicht ausüben wird, sofern nicht mindestens eine Kompensation dieser Nachteile durch anderweitige Vorteile – bspw. Synergieeffekte – vorliegt. Besteht diese Kompensationsmöglichkeit nicht, können die mit einer Option in Verbindung stehenden Stimmrechte nicht als substanziell eingestuft werden und sind bei der Beurteilung einer möglichen Beherrschungsmacht nicht einzubeziehen. Dies gilt auch bei Bindung der Optionsausübung an kartellrechtliche oder sonstige Zustimmungserfordernisse, welche verhindern, dass eine Option derzeit zu zusätzlichen Stimmrechten führt.[126]

 

BEISPIEL

Die Auswirkung kartellrechtlicher Vorbehalte[127]

Das Mutterunternehmen hält 30 % der Anteile und Stimmrechte an einem potenziellen Tochterunternehmen. Zum Beurteilungszeitpunkt verfügt es zudem über eine Option auf weitere 40 %, wobei diese erst bei Zustimmung der Kartellbehörde wirksam wird (kartellrechtlicher Vorbehalt). Wenngleich das Mutterunternehmen die Ausübung der Option erklärt hat, kann eine Zustimmung vor der nächsten Hauptversammlung des Tochterunternehmens nicht erwartet werden. Daher kann das Mutterunternehmen auf die wesentlichen Entscheidungen im Hinblick auf die relevanten Aktivitäten des Tochterunternehmens lediglich mit einem Stimmrechtsanteil von 30 % Einfluss nehmen.

Die mit der Option einhergehenden zusätzlichen 40 % der Stimmrechte können nicht als substanziell eingestuft werden. Im Ergebnis ist eine Entscheidungsmacht aus Stimmrechten somit zu verneinen. Ungeachtet dessen ist weiterführend zu überprüfen, ob das Mutterunternehmen ggf. auf Grundlage sonstiger Rechte i. V. m. den Stimmrechten bestimmenden Einfluss auf die relevanten Aktivitäten des potenziellen Tochterunternehmens ausüben kann.

Das Fehlen finanzieller Möglichkeiten zur Ausübung der Option ist anders zu bewerten. Sofern dem Berichtsunternehmen zum Bilanzstichtag die Ausübung wegen vertraglicher bzw. ökonomischer Finanzierungsgrenzen nicht möglich ist, muss es sich potenzielle Stimmrechte nicht zurechnen lassen. Hierbei kommt es vor dem Hintergrund des Stichtagprinzips auf die aktuelle Ausübbarkeit an, während sich die Frage nach späteren Änderungen nicht stellt.[128]

 

Tz. 61

Sofern das Berichtsunternehmen Stillhalter einer Call-Option ist, deren Ausübung die eigene Beteiligungsquote auf unter 50 % senken würde, kann dies einer Beherrschung entgegenstehen. In diesem Fall sind die Überlegungen – insbesondere zur Vorteilhaftigkeit und finanziellen bzw. sonstigen Hindernissen – aus der Sicht des Vertragspartners anzustellen. Lassen die angestellten Überlegungen die Optionsausübung wahrscheinlich erscheinen, sodass in der Folge keine Mehrheit der Stimmrechte beim Berichtsunternehmen mehr gegeben ist, liegt keine Entscheidungsmacht mehr vor. Im Ergebnis sind unter konkreten Bestimmungen geschriebene Optionen somit spiegelbildlich zur Behandlung beim Optionsinhaber als potenzielle Stimmrechtsminderungen zu berücksichtigen.[129]

 

BEISPIEL

Das Berichtsunternehmen als Stillhalter einer Call-Option[130]

Die XY-AG hält 60 % der stimmberechtigten Anteile an der ZZ-AG. Die übrigen 40 % dieser Anteile werden von der ABC-AG gehalten. Die XY-AG hat der ABC-AG eine zu jeder Zeit ausübbare Call-Option auf 50 % der Anteile an der ZZ-AG gewährt. Aus Sicht der ABC-AG ist die Option günstig, da der Ausübungspreis deutlich unter dem beizulegenden Zeitwert liegt.

Unter Berücksichtigung der potenziellen Stimmrechte von der ABC-AG, die durch die gegenwärtig ausübbaren Call-Optionen vermittelt werden, verfügt die XY-AG weder über Kontroll...

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