a) Überblick

 

Tz. 96

Aus § 290 Abs. 1 HGB folgt, dass jedes Mutterunternehmen grundsätzlich zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist, auch wenn es seinerseits Tochterunternehmen eines anderen (übergeordneten) Mutterunternehmens ist (sog. Pflicht zur Teilkonzernrechnungslegung oder Tannenbaumprinzip). Zur Vermeidung einer Vielzahl von Teilkonzernabschlüssen im mehrstufigen Konzern befreien §§ 291 HGB und 292 HGB bestimmte (nachgeordnete) Mutterunternehmen von der Verpflichtung zur (Teil-)Konzernrechnungslegung. Während § 291 HGB die Voraussetzungen für eine Befreiung statuiert, wenn das übergeordnete (= befreiende) Mutterunternehmen seinen Sitz im Inland oder in einem EU/EWR-Mitgliedstaat hat, erfasst § 292 HGB die Fälle der Ansässigkeit des Mutterunternehmens in einem Drittland (d. h. in einem Land außerhalb von EU/EWR). Abs. 1 benennt die Anforderungen an das übergeordnete (= befreiende) Mutterunternehmen (insbesondere Sitz in einem Drittland) und verlangt für die Befreiung, dass das (übergeordnete) Mutterunternehmen seinerseits einen Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufstellt, der Konzernabschluss geprüft worden ist und sowohl der Konzernabschluss als auch der Konzernlagebericht (nebst Bestätigungsvermerk) in deutscher Sprache offengelegt worden sind. Die in Abs. 1 niedergelegten Anforderungen für eine Befreiung von der Konzernrechnungslegung entsprechen dabei weitgehend denen nach § 291 HGB. Abs. 2 enthält – ebenfalls weitgehend parallel zu § 291 HGB – ergänzende Bestimmungen zu den erforderlichen Anhan­gan­gaben im Jahresabschluss des zu befreienden Mutterunternehmens und – durch entsprechende Verweise auf § 291 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 HGB – ergänzende Regelungen für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen (vgl. Tz. 89) sowie Ausnahmen von der Befreiungsmöglichkeit für bestimmte (nachgeordnete) Mutterunternehmen zum Schutz von Minderheitsgesellschaftern (vgl. Tz. 92). Abs. 3 enthält detaillierte Anforderungen an einen den (befreienden) Konzernabschluss prüfenden Abschlussprüfer, wenn dieser nicht in Übereinstimmung mit der Abschlussprüfungs-RL zugelassen wurde.[187]

[187] Senger/Hoehne, in: MüKo-BilR, § 291 HGB Rn. 7.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 97

Die Norm wurde durch das BiRiLiG 1985 mit Wirkung vom 1.1.1990 in das HGB eingefügt und diente der Umsetzung der 7. EG-RL vom 13.6.1984 (Konzern-Bilanz-RL)[188]. Technisch enthielt die Norm selbst keine Befreiungstatbestände, sondern lediglich eine Rechtsverordnungsermächtigung sowie Einzelheiten zum Verfahren des Erlasses der Verordnung. Das BMJ hatte am 15.11.1991 von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und die Verordnung über befreiende Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte von Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat (KonzernabschlussbefreiungsverordnungKonBefrV)[189] erlassen.

Das BilMoG 2009 hat die Norm sowie die KonBefrV im Grundsatz unverändert belassen. Wenige Änderungen betrafen insbesondere die Anforderungen an die ausländische Abschlussprüfung: Zum einen wurde auf das Erfordernis einer Prüfung auch des ausländischen Konzernlageberichts verzichtet. Zum anderen wurden die Anforderungen an den Abschlussprüfer in Fällen, in denen das (befreiende) Mutterunternehmen im Inland börsennotiert ist, verschärft (vgl. Tz. 108).

Durch das BilRUG wurde die Norm neugefasst. Zum einen wurden die Regelungen der KonBefrV in die Norm integriert. Damit wurde auf Kritik reagiert, wonach die doppelte Regelung durch HGB und KonBefrV zu schwerfällig sei. Zum anderen wurden die Befreiungstatbestände an die Regelungen im ebenfalls durch das BilRUG ergänzten § 291 HGB angelehnt, soweit nicht die Tatsache, dass das Mutterunternehmen in einem Drittland ansässig ist, eine Abweichung erforderlich machte. Materielle Verschärfungen ergeben sich insbesondere insoweit, dass zukünftig in jedem Fall der Bestätigungsvermerk offenzulegen ist und ein Versagungsvermerk nicht länger für eine Befreiung ausreicht (Vorgabe der Richtlinie 2013/34/EU).

Durch das Gesetz zur Umsetzung der EU-Transparenz-RL-Änderungs-RL (Richtlinie 2013/50/EU) wurde – neben der Korrektur eines Redaktionsversehens – ein bestimmter Schwellenwert in Abs. 3 erhöht (vgl. Tz. 108), der für die Frage relevant ist, welche Qualifikationen an einen nicht in Übereinstimmung mit der Abschlussprüfer-RL zugelassen Abschlussprüfer zu stellen sind. Durch das APAReg wurde dieser Schwellenwert erneut angepasst (vgl. Tz. 108).[190]

[188] 83/349/EWG, ABl. EG 1983, L 193, 1.
[189] BGBl. I 1991, 2122.
[190] Senger/Hoehne, in: MüKo-BilR, § 291 HGB Rn. 7.

c) Geltungsbereich

aa) Sachlicher Geltungsbereich

 

Tz. 98

Die Norm gilt in mehrstufigen Konzernen und komplettiert § 291 HGB. Mutterunternehmen i. S. d. § 290 HGB, die einem anderen Mutterunternehmen nachgeordnet und in dessen Konzernabschluss einbezogen sind, sollen von der Konzernrechnungslegungspflicht befreit sein. Während § 291 HGB Fälle erfasst, in denen das übergeordnete (befreiende) Mutterunternehmen seinen Sitz innerhalb von EU/EWR hat, betrifft die Norm Drittlandsfälle, d. h., das (befreiende) Mutterunternehmen hat seinen Sitz außer...

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