Tz. 22

Mit dem „Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts – BilMoG ” von 2009[50] wurde das deutsche Bilanzrecht einer weiteren grundlegenden Modernisierung unterzogen. Bei dieser Reform ging es vor allem darum, den Unternehmen eine gleichwertige, aber einfachere und kostengünstigere Alternative zur Rechnungslegung nach IFRS zu eröffnen (HGB-Bilanz als Alternative zur IFRS-Bilanz). Besonders kleine und mittelständische Unternehmen sollten wesentlich entlastet werden. Ferner sollten Lehren aus der Finanzkrise gezogen werden. Dabei verfolgte der Gesetzgeber im Wesentlichen vier Ziele:

  • Erstens die Deregulierung der Publizitätspflichten durch die Befreiung kleiner Einzelkaufleute von bestimmten Rechnungslegungspflichten und durch Anhebung der die einzelnen Größenklassen und damit Rechnungslegungspflichten bestimmenden Schwellenwerte.
  • Zweitens die Erhöhung der Aussagekraft des HGB-Abschlusses durch Annäherung der Abbildungsvorschriften an die IFRS. Dabei ging es vor allem um das Aktivierungswahlrecht bei selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, die Bewertung von Finanzinstrumenten zum Marktwert bei Kreditinstituten, die marktnähere Bewertung von Rückstellungen sowie die Abschaffung einer Vielzahl nicht mehr zeitgemäßer Wahlrechte.
  • Drittens die Erhöhung der Transparenz des HGB-Konzernabschlusses durch ein verändertes Konzept der Aufstellungspflicht und durch Einführung einer grundsätzlichen Pflicht zur Konsolidierung sog. Zweckgesellschaften.
  • Und viertens die Umsetzung weiterer EU-Vorgaben und die Stärkung der Kontrollmechanismen für die Einhaltung von Rechnungslegungsvorschriften.

Das HGB blieb dabei Grundlage sowohl der Ausschüttungsbemessung als auch der steuerlichen Gewinnermittlung. Die Grundgedanken des Vorsichtsprinzips und des Gläubigerschutzes blieben – wenn auch mit gewissen Einschränkungen – weiter maßgebend. Weder das System der GoB noch die grundsätzliche Möglichkeit zur Erstellung einer Einheitsbilanz sollten aufgegeben werden. Der Grundsatz der umgekehrten Maßgeblichkeit wurde allerdings abgeschafft, die einfache Maßgeblichkeit wurde an vielen Stellen durchbrochen.[51]

 

Tz. 23

Mit dem BilMoG wurden zwei weitere EU-Richtlinien in deutsches Recht umgesetzt: Die EU-Abänderungsrichtlinie von 2006[52] und die Abschlussprüfungsrichtlinie ebenfalls von 2006.[53] Die Umsetzung der Abänderungsrichtlinie betraf vorrangig das Bilanzrecht und sollte zu einer Stärkung des Vertrauens des Kapitalmarktes in die Richtigkeit und Vollständigkeit der Rechnungslegung durch Aufwertung einzelner Anhangan­gaben im Bereich der einzelgesellschaftlichen sowie konsolidierten Rechnungslegung führen. Die Umsetzung der Abschlussprüfungsrichtlinie führte zu Änderungen im Recht der handelsrechtlichen Abschlussprüfung und diente der Harmonisierung der Abschlussprüfung auf europäischer Ebene. Beide Richtlinien wurden "eins zu eins" (kein gold-plating) in deutsches Recht umgesetzt.[54]

 

Tz. 24

Das BilMoG 2009 betraf eine ganze Reihe von unterschiedlichen Regelungsbereichen. Die Publizitätspflichten deutscher Unternehmen wurden weiter dereguliert. Der neu eingeführte § 241a HGB befreit kleine Einzelkaufleute von der Buchführungspflicht nach § 238 HGB, sofern sie an zwei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen nicht mehr als 600.000 Euro Umsatzerlöse und nicht mehr als 60.000[55]  Euro Jahresüberschuss ausweisen (Beispiel vgl. Kapitel 2 Tz. 82). Bei Neugründungen tritt nach dem BilMoG eine Befreiung bereits ein, wenn die Werte am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung nicht überschritten werden. Für Personenhandelsgesellschaften gelten die genannten Kriterien nicht. Die Ergänzung in § 242 Abs. 4 HGB stellt zudem sicher, dass die Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses nicht für Unternehmen gilt, die unter § 241a HGB fallen. Hingegen werden die Zwecke des HGB-Abschlusses (Dokumentation, Rechenschaft, Kapitalerhaltung) durch das BilMoG nicht modifiziert.[56]

 

Tz. 25

Das Maßgeblichkeitsprinzip bleibt zwar grundsätzlich erhalten, wird aber in weiten Teilen durchbrochen. So besteht etwa nach § 248 Abs. 2 HGB ein Aktivierungswahlrecht für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, während § 5 Abs. 2 EStG weiterhin ein Ansatzverbot vorsieht. Das Prinzip der umgekehrten Maßgeblichkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG a. F. wurde aufgehoben, das bedeutet, dass steuerliche Wertansätze keine Geltung mehr für die handelsrechtliche Rechnungslegung entfalten. Die Vorschriften der §§ 247 Abs. 3 HGB (steuerliche Sonderposten), § 254 HGB (steuerrechtliche Abschreibungen), § 273 HGB (Sonderposten mit Rücklageanteil), § 279 HGB (Vornahme steuerrechtlicher Abschreibungen), § 280 HGB (Wertaufholungsgebot), § 281 HGB (Berücksichtigung steuerrechtlicher Vorschriften), § 282 HGB (Abschreibung für Instandsetzung) und § 283 HGB (Wertansatz des Eigenkapitals) wurden aufgehoben.[57]

 

Tz. 26

Mit der Micro-Richtlinie von 2012,[58] die der deutsche Gesetzgeber im Jahre 2012 durch das Kleinstkapitalges...

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