Tz. 54

Sodann ist die Normierung von Rechnungslegung und Bilanzierung dadurch gekennzeichnet, dass die maßgeblichen Regelungen und Grundsätze auf mehreren Ebenen angesiedelt sind. Auf der internationalen Ebene zu nennen sind die internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS mit den SIC und den IFRIC), die für die Abschlussprüfung flankiert werden durch die internationalen Prüfungsstandards (ISA), auf der darunter liegenden europäischen Ebene die Richtlinien und Verordnungen der EU zur Rechnungslegung und Abschlussprüfung und auf der nationalen bzw. mitgliedstaatlichen Ebene – in Deutschland – die Vorschriften des Dritten Buchs des HGB einschließlich der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) sowie ergänzende Spezialvorschriften in anderen Gesetzen und schließlich für den Bereich der Konzernrechnungslegung und der IFRS-Interpretation die Deutschen Rechnungslegungsstandards (DRS). Im Vergleich fällt auf, dass die Regelungen von oben nach unten immer ausdifferenzierter werden. Besonders deutlich wird das beim Vergleich zwischen nationalem Recht und IFRS: Zahlreiche Differenzierungen des deutschen Rechnungslegungsrechts sind den IFRS fremd.

 

Tz. 55

Mehrebenensystem der Normierung der Rechnungslegung und Prüfung

 

Tz. 56

Dieses Mehrebenensystem ist von hoher Komplexität, was damit zusammenhängt, dass die Normen auf den unterschiedlichen Ebenen sehr unterschiedliche Qualität aufweisen. Zum Teil sind sie hoheitlich gesetztes Recht (EU-Richtlinien, EU-Verordnungen, HGB), zum Teil ist ihre Rechtsnatur unklar bzw. umstritten und sie gelten als privat gesetzte Normen oder aufgrund ihrer Anerkennung durch Hoheitsträger als hybride Normen zwischen staatlichem Recht und privaten Regeln; zum Teil gelten sie unnmittelbar (HGB, EU-Verordnungen), zum Teil nur mittelbar (IFRS, EU-Richtlinien); soweit es um EU-Richtlinien geht, werden den mitgliedstaatlichen Gesetzgebern Wahlrechte eingeräumt, sodass auch europaweit keine einheitliche Anwendung gesichert ist; zum Teil gelten die Normen für den Rechnungsleger zwingend, zum Teil bestehen Wahlrechte des Rechnungslegers; zum Teil sind sie nach europäischen Grundsätzen auszulegen, zum Teil nach nationalen, und über die Auslegung internationaler Standards herrscht wiederum Unklarheit. Treffen in einem Sachverhalt Grundsätze oder Normen unterschiedlicher Ebenen zusammen, können sich schwierige Fragen ergeben.[95]

 

Tz. 57

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass von den inzwischen nur noch wenigen deutschen Unternehmen, die zugleich an einer US-amerikanischen Börse notiert sind, neben dem HGB und gegebenenfalls den IFRS die amerikanischen Bilanzierungsstandards in Gestalt der US-GAAP zu beachten sind.[96]

[95] Exemplarisch für die Anwendung der ISA Merkt, ZGR 2015, 215.
[96] Darstellung zu den US-GAAP etwa bei Born, Rechnungslegung international, Einzel- und Konzernabschlüsse nach IAS, US-GAAP, HGB und EG-Richtlinien, 5. Aufl., Stuttgart 2007; Bossert/Lorch, Konzernrechnungslegung international Grundlagen der Konzernrechnungslegung nach HGB, IAS/IFRS und US-GAAP, Stuttgart 2005; Hayn/Waldersee, IFRS/US GAAP/HGB im Vergleich, 7. Aufl., Stuttgart 2008; Oestreicher, Handels- und Steuerbilanzen: HGB, IAS/IFRS, US-GAAP, EStG und BewG, 6. Aufl., Heidelberg 2003; Selchert/Erhardt, Internationale Rechnungslegung: Der Jahresabschluss nach HGB, IAS und US GAAP, 3. Aufl., München 2003.

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