A. Treuhandgeschäfte

I. Begriff und Zielsetzungen einer Treuhandschaft

1. Unterschiede in der rechtlichen und wirtschaftlichen Bestimmung des Treuhandbegriffs

a) Rechtliche Interpretation der Treuhandschaft

 

Rn. 1

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Der Begriff der Treuhand ist gesetzlich nicht definiert. Der Treuhandvertrag ist kein eigener Vertragstyp des BGB. Lediglich einzelne auf Gesetz beruhende Treuhandverhältnisse sind in Spezialgesetzen (z. B. InsO, AktG) geregelt. Im Übrigen wurde der begriffliche Inhalt der Treuhandschaft durch Rechtslehre, Rspr. und wirtschaftliche Praxis entwickelt und ausgefüllt (vgl. IDW (2020), Rn. A 2).

Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung hat zur Folge, dass es keinen einheitlichen Typus der Treuhandschaft gibt und zwischen einem engeren juristischen und einem weiteren wirtschaftlichen Begriff der Treuhandschaft unterschieden wird. Die in der wirtschaftlichen Praxis möglichen Anwendungsfälle der Treuhandschaft unterliegen so vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, dass bis heute keine umfassende Systematik der großen Zahl möglicher Spielarten der wirtschaftlichen Treuhandverhältnisse entwickelt werden konnte, sondern derartige Systematiken i. d. R. an den engen juristischen Treuhandbegriff anknüpfen oder sich auf die am häufigsten anzutreffenden typischen Fälle beschränken (vgl. Wöhe, StKgR 1979, S. 300 (301ff.)).

 

Rn. 2

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Ein Treuhandverhältnis ist ein Rechtsverhältnis zwischen einem Treuhänder und einem Treugeber. Gegenstand dieses Rechtsverhältnisses ist das Treuhandvermögen (Treugut), das aus Sachen oder Rechten bestehen kann. Der Treugeber überträgt das Treuhandvermögen auf den Treuhänder. Dieser übt die Vermögensrechte im Interesse des Treugebers (oder eines anderen Begünstigten) aus. Wie ein Vertreter wird auch der Treuhänder in fremdem Interesse tätig. Während aber der unmittelbare Stellvertreter nur im Namen des Vertretenen rechtsgeschäftlich handelt, sind dem Treuhänder durch Gesetz oder Rechtsgeschäft Rechte zur Ausübung im eigenen Namen eingeräumt, allerdings mit der Einschränkung, dass er sie nur im fremden Interesse ausüben darf (vgl. Palandt (2023), § 903 BGB, Rn. 33ff.).

Ein Treuhandverhältnis besteht aus einem Außenverhältnis, das die Rechtszuständigkeit des Treuhänders am Treugut begründet und die rechtliche Stellung des Treuhänders Dritten gegenüber zum Inhalt hat, und einem Innenverhältnis, das die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen dem Treugeber und dem Treuhänder regelt (vgl. Coing (1973), S. 85f.). Der rechtliche und der wirtschaftliche Treuhandbegriff unterscheiden sich in erster Linie in der rechtlichen Gestaltung des Außenverhältnisses. Allerdings ist auch die juristische Interpretation dieses Rechtsverhältnisses in der Literatur nicht einheitlich. Die engste Auslegung erkennt ein Rechtsverhältnis nur dann als Treuhandverhältnis an, wenn der Treuhänder im Außenverhältnis zwar die volle Rechtsstellung eines Eigentümers erhält, so dass er an sich nach außen über das Eigentum und sonstige Rechte oder Forderungen im eigenen Namen als Berechtigter verfügen kann, im Innenverhältnis, d. h. im Verhältnis zum Treugeber, jedoch gewissen vertraglichen Beschränkungen unterworfen ist. Er darf also – wenn er sich nicht einer positiven Vertragsverletzung schuldig machen will – von der Rechtsstellung als Eigentümer nur in dem Umfang Gebrauch machen, wie es den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Treugeber und dem wirtschaftlichen Zweck des Treuhandverhältnisses entspricht (vgl. Aichberger/Fuchs (2022), S. 1638f.; IDW (2020), Rn. A 6).

 

Rn. 3

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Eine Erweiterung erfährt der juristische Treuhandbegriff dann, wenn dem Treuhänder nicht das Eigentum am Treuhandvermögen übertragen wird, sondern er lediglich ermächtigt wird, über das Treugut im eigenen Namen zu verfügen oder es zu verwalten (sog. Ermächtigungstreuhand).

b) Wirtschaftliche Interpretation der Treuhandschaft

 

Rn. 4

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Der weitere wirtschaftliche Treuhandbegriff geht nicht von der dinglichen Eigentümerposition des Treuhänders, sondern vom wirtschaftlichen Zweck des Treuhandverhältnisses sowie von dem Vertrauensverhältnis zwischen Treuhänder und Treugeber aus (vgl. Mathews (1978), S. 13f.). Dieser Zweck ist ganz allg. die Wahrnehmung fremder Interessen durch den Treuhänder, wobei es gleichgültig ist, ob dieser nach außen als Eigentümer oder als Verwalter auftritt (z. B. Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker) oder ob er nur zum Handeln für den Treugeber ermächtigt ist.

 

Rn. 5

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Der wirtschaftliche Zweck eines Treuhandverhältnisses kann darin bestehen, dass der Treugeber nach außen überhaupt nicht in Erscheinung tritt, sondern an seine Stelle der Treuhänder als "Strohmann" tritt, so z. B. beim Erwerb von Gesellschaftsanteilen oder beim Grundstückskauf (verdeckte Treuhand). Ein Treuhandverhältnis kann auch den wirtschaftlichen Zweck verfolgen, zum Schutz von Gläubigern oder Anteilseignern einen Treuhänder als Verwalter zwischen Schuldner und Gläubiger zu stellen, wie z. B. beim Abwickler oder Insolvenzverwalter. Hier wird das wirtschaftliche Treuhandverhältnis nach außen sichtbar (offene Treuhand).

 

Rn. 6

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Es gibt auch Fälle, bei denen nicht der Treugeber, sond...

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