Rn. 120

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Der Abzug von Zinsaufwendungen als steuerliche BA kann nach deutschem Steuerrecht versagt sein, wenn die Regelungen der sog. Zinsschranke gemäß § 4h EStG (ggf. ergänzt durch § 8a KStG) Anwendung finden. Sofern keine Ausnahmeregelung gemäß § 4h Abs. 2 EStG (ggf. modifiziert durch § 8a Abs. 2f. KStG) einschlägig ist, sind Zinsaufwendungen gemäß § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG nur abziehbar in Höhe der Zinserträge und darüber hinaus in Höhe des verrechenbaren EBITDA (30 % des steuerlichen EBITDA). Soweit Zinsaufwendungen nach dieser Prüfung als nicht abziehbar qualifiziert werden, sind sie in der steuerlichen Gewinnermittlung außerbilanziell hinzuzurechnen und gemäß § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG in die folgenden WJ vorzutragen (durch Bildung eines Zinsvortrags). Sollte in der Zukunft nach Erwägungen des § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG ein höheres Abzugspotenzial als Zinsaufwendungen des betrachteten Jahres vorliegen, können durch Verwendung des Zinsvortrags die in der Vergangenheit als nicht abzugsfähig qualifizierten Zinsen entsprechend genutzt werden. Der Zinsvortrag verkörpert somit zukünftiges Bemessungsgrundlagenminderungspotenzial, welches bei Nutzung zu einer Steuerentlastung führen kann. Dieser Effekt ist parallel zu steuerlichen Verlustvorträgen nach § 274 Abs. 1 Satz 4 in die Bemessung latenter Steuern einzubeziehen (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 67; DRS 18.20).

 

Rn. 121

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Die Anforderungen des § 274 Abs. 1 Satz 4 an steuerliche Verlustvorträge gelten entsprechend für Zinsvorträge (vgl. Endert/Sepetauz, PiR 2013, S. 1 (5)). Dies bedeutet, dass eine eigenständige steuerliche Prognoserechnung über die Nutzbarkeit von Zinsvorträgen innerhalb der nächsten fünf Jahre aufzustellen ist (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 274 HGB, Rn. 51; Beck-HdR, B 235 (2016), Rn. 70). Aufgrund der Wirkungsweise der Zinsschranke sind die zu betrachtenden Prognoseaspekte jedoch wesentlich umfangreicher als bei den Verlustvorträgen (vgl. Herzig/Bohn/Götsch, DStR 2009, S. 2615 (2618f.)) Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Zinsschranke mit verschiedenen anderen steuerlichen Vorschriften korrespondiert. So sind bspw. aufgrund der Zinsschranke hinzugerechnete Zinsaufwendungen auch bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 lit. a) GewStG im Blick zu halten (vgl. hierzu Feldgen, StuB 2016, S. 259 (262f.)). Werden Zinsvorträge genutzt, kommt es zu einer Verminderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage. Dies kann dazu führen, dass ein Verlust und somit ein neuer Verlustvortrag entsteht oder dass bestehende Verlustvorträge nicht oder nur in verringertem Maße genutzt werden können (vgl. ausführlich zu Interdependenzen von Verlust- und Zinsvorträgen Herzig/Bohn/Götsch, DStR 2009, S. 2615; Herzig/Fuhrmann (2012), Kap. II/C, Rn. 86ff.).

 

Beispiel:

Zusammenspiel von Zins- und Verlustvorträgen

Die X-AG wendet § 274 an. Zum BilSt verfügt sie über einen körperschaftsteuerlichen Verlustvortrag von 200.000 EUR und einen Zinsvortrag von 100.000 EUR. Aus der steuerlichen Prognoserechnung (vereinfacht) des nächsten WJ ergibt sich ein positives zu versteuerndes Einkommen von 100.000 EUR. Gleichzeitig wird deutlich, dass im nächsten Jahr das verrechenbare EBITDA den negativen Zinssaldo (Zinsaufwand abzgl. Zinsertrag) um 60.000 EUR übersteigen wird.

Im kommenden WJ wird aufgrund des erwarteten Überschusses des verrechenbaren EBITDA ein Zinsvortrag i. H. v. 60.000 EUR nutzbar sein. Dies bedeutet, dass außerbilanziell 60.000 EUR Zinsen zusätzlich abziehbar werden (Nutzung des Zinsvortrags). Hierdurch sinkt das zu versteuernde Einkommen i. H. v. 100.000 EUR auf 40.000 EUR, so dass nur 40.000 EUR der Verlustvorträge nutzbar sein werden.

 

Rn. 122

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Neben dem Zinsvortrag kann i. V. m. der Zinsschranke auch ein sog. EBITDA-Vortrag entstehen. Dieser ist gemäß § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG zu bilden, wenn die Zinsschranke einschlägig ist (vgl. § 4h Abs. 1 Satz 3 (2. Halbsatz) EStG) und bei der Betrachtung nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG das verrechenbare EBITDA höher ist als der negative Saldo aus Zinsaufwand abzgl. Zinsertrag. Dies bedeutet, dass das UN im betrachteten WJ mehr Zinsaufwand hätte abziehen dürfen, wenn es solche Aufwendungen gehabt hätte. Dieses "erlaubte Abzugspotenzial" ist in die folgenden fünf WJ vorzutragen. Sollten in einem dieser zukünftigen WJ die Zinsaufwendungen höher sein als die Zinserträge und das verrechenbare EBITDA dieses WJ (vgl. § 4h Abs. 1 Satz 4 EStG), können überschießende Aufwendungen bis zur Höhe des EBITDA-Vortrags zusätzlich abgezogen werden. Ein bestehender EBITDA-Vortrag stellt somit ein erhöhtes Zinsabzugs- und damit Steuerminderungspotenzial für max. die nächsten fünf WJ dar.

 

Rn. 123

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Der wirtschaftliche Vorteil, den EBITDA-Vorträge verkörpern, könnte bei der Bemessung aktiver latenter Steuern nach § 274 Abs. 1 Satz 4 zu berücksichtigen sein. Allerdings ist hier zu beachten, dass – anders als bei Verlust- oder Zinsvorträgen – der EBITDA...

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