Rn. 1

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

In der anglo-amerikanischen Bilanzierungspraxis haben latente Steuern eine lange Tradition (vgl. HdJ, Abt. I/18 (2019), Rn. 1) und gelten als unverzichtbares Element einer RL, die auf die zutreffende Darstellung der Vermögenslage und die periodengerechte Erfolgsabgrenzung i. S. d. "matching principle" abstellt. Dies umso mehr, als angelsächsische Länder vielfach ein Maßgeblichkeitsprinzip deutscher Prägung (vgl. HdR-E, Kap. 3) nicht kennen und somit Divergenzen zwischen Handels- und Steuerrecht in erheblichem Umfang auftreten. Im internationalen Kontext sind die Regelungen zur Bilanzierung von latenten Steuern nach US-amerikanischen (vgl. ASC 740) und internationalen (vgl. IAS 12) RL-Standards daher sehr einflussreich.

 

Rn. 2

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Zu Beginn des neuen Jahrtausends haben die IFRS und damit das Konzept zur Bilanzierung von latenten Steuern nach IAS 12 nochmals erheblich an Bedeutung gewonnen. Diese Entwicklung ist u. a. darauf zurückzuführen, dass kap.-marktorientierte UN mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU seit dem 01.01.2005 zur Aufstellung eines KA nach IFRS verpflichtet sind (vgl. Art. 4 der sog. IAS-VO (EG) Nr. 1606/2002 (ABl. EG, L 243/1ff. vom 11.09.2002)). Darüber hinaus erlangten die IFRS in zahlreichen Ländern einen hohen Stellenwert, weil sie sich als RL-Grundsätze in den lokalen Abschlüssen (EA bzw. HB I) durchsetzten und insoweit sich (auch) latente Steuern in diesen RL-Welten etabliert haben. Beachtenswert ist zudem, dass das nach IFRS ermittelte Ergebnis in einigen Jurisdiktionen als Ausgangsgröße für die ertragsteuerliche Gewinnermittlung dient und damit eine wesentliche Grundlage der ertragsteuerlichen Bemessungsgrundlage darstellt.

 

Rn. 3

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Die erwartete Umsetzung der von der OECD (2022) veröffentlichten Regelungen zu "Pillar Two – Tax Challenges Arising from the Digitalisation of the Economy" könnte ferner dazu führen, dass die IFRS in den kommenden Jahren einen größeren Einfluss auf die Besteuerung von UN erlangen. Sollten nationale Besteuerungsregime umfassend auf die Regelungen der IFRS zurückgreifen, könnte dies die gegenwärtig bestehenden Abweichungen zwischen Handels- und Steuerrecht verringern oder gänzlich beseitigen. Gleichwohl ist es sehr wahrscheinlich, dass latente Steuern selbst bei vollständiger Umsetzung der vorgeschlagenen Neuregelungen zu "Pillar Two" durch nationale Steuergesetzgeber integraler Bestandteil aller RL-Standards weltweit bleiben werden.

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