Rn. 3

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Gemäß § 232 AktG müssen Wertminderungen oder sonstige Verluste in der bei der Beschlussfassung angenommenen Höhe tatsächlich nicht eingetreten oder ausgeglichen worden sein. Ob dies der Fall ist, hängt von einem Vergleich der Vermögenslage im Zeitpunkt der Aufstellung des JA mit den Verhältnissen im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Kap.-Herabsetzung ab. Es ist demnach zu fragen, ob sich eine Differenz zu einer (fiktiven) im Zeitpunkt des Kap.-Herabsetzungsbeschlusses nach den Grundsätzen eines JA erstellten Bilanz ergibt, in der entsprechende Verluste ausgewiesen waren (vgl. Hüffer-AktG (2021), § 232, Rn. 3; KK-AktG (2020), § 232, Rn. 4; HB-GesR (2020/IV), § 62, Rn. 27; MünchKomm. AktG (2021), § 232, Rn. 5; unscharf ADS (1997), § 232 AktG, Rn. 7ff.).

Bei der Auslegung der Begriffe "eingetreten" und "ausgeglichen" sind v.a. zwei Aspekte zu berücksichtigen: zum einen der Zweck des § 232 AktG, der darin besteht, Manipulationen am Grundkap. zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger zu verhindern, zum anderen, dass nach Bilanzierungsgrundsätzen, insbesondere dem Grundsatz der Bilanzierungsvorsicht und der Imparität (vgl. KK-AktG (2020), § 232, Rn. 4; zu den Begriffen im Ergebnis HdR-E, HGB § 252, Rn. 77ff., 81ff.), bei zu erwartenden Verlusten bereits im Vorfeld Abschreibungen und Rückstellungen vorzunehmen sind (vgl. hierzu HdR-E, HGB § 249, Rn. 7). Werden sie bilanziell berücksichtigt, erlaubt der daraus entstehende Bilanzverlust eine vereinfachte Kap.-Herabsetzung. Eingetreten ist eine Wertminderung oder ein sonstiger Verlust demnach nur, wenn er sich durch ein Umsatzgeschäft realisiert hat. Dies gilt insbesondere auch für Verluste, die nur nach Vorsorgegrundsätzen anzunehmen waren. Stellt sich z. B. bei einer abgeschriebenen Forderung im Nachhinein heraus, dass sie entgegen der Prognose doch voll werthaltig ist, ist ein Verlust i. d. S. nicht eingetreten (vgl. KK-AktG (2020), § 232, Rn. 5, 7). Ausgeglichen ist eine Wertminderung oder ein sonstiger Verlust dagegen, wenn er zwar in der bei der Beschlussfassung angenommenen Höhe eingetreten ist, im Zeitpunkt der Aufstellung des JA aber nicht mehr vorliegt. Dies ist z. B. der Fall, wenn entgegen der bei der Beschlussfassung aufgestellten Prognose Rückstellungen gar nicht zu bilden waren oder sich in anderen Bilanzposten höhere Gewinne als erwartet eingestellt haben (vgl. KK-AktG (2020), § 232, Rn. 5; AktG-GroßKomm. (2012), § 232, Rn. 4).

Da das Gesetz selbst nur von Verlusten in der angenommenen "Höhe" spricht, kommt es für die Ermittlung eines Differenzbetrags nur auf das Bilanzergebnis insgesamt an, so dass die Bewertung einzelner Posten außer Betracht bleibt (vgl. HB-GesR (2020/IV), § 62, Rn. 26; AktG-GroßKomm. (2012), § 232, Rn. 5; so im Ergebnis auch KK-AktG (2020), § 232, Rn. 6; abweichend ADS (1997), § 232 AktG, Rn. 10, die eine Verrechnung nur bei wertaufhellenden Tatsachen zulassen wollen).

 

Rn. 4

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Ergibt sich bei diesem Vergleich, dass eine im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht angenommene Vermögensverschlechterung eingetreten ist, muss trotzdem zunächst eine Einstellung in die Kap.-Rücklage erfolgen. Der neue Verlust kann nicht sogleich mit dem Buchgewinn aus der Kap.-Herabsetzung ausgeglichen werden, sondern lediglich i. R.d. üblichen Verwendung von Kap.-Rücklagen gemäß § 150 Abs. 2f. AktG (vgl. MünchKomm. AktG (2021), § 232, Rn. 6; HB-GesR (2020/IV), § 62, Rn. 27; Hüffer-AktG (2021), § 232, Rn. 4; KK-AktG (2020), § 232, Rn. 6; ADS (1997), § 232 AktG, Rn. 13).

Nach dem Beschluss über die Kap.-Herabsetzung erwirtschaftete Gewinne beseitigen die zuvor entstandenen Verluste i. S. v. § 232 AktG nicht und sind so zu behandeln, als ob keine Kap.-Herabsetzung stattgefunden hätte. Demzufolge ist in diesem Fall der Differenzbetrag nicht in die Kap.-Rücklagen einzustellen, sondern kann i. R.d. § 233 AktG grds. ausgeschüttet werden (vgl. KK-AktG (2020), § 232, Rn. 5; Hüffer-AktG (2021), § 232, Rn. 4; HB-GesR (2020/IV), § 62, Rn. 27; AktG-GroßKomm. (2012), § 232, Rn. 6; ADS (1997), § 232 AktG, Rn. 9).

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