Rn. 43

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Fallen rechtl. Entstehung und wirtschaftliche Verursachung zeitlich auseinander, so ist der frühere Zeitpunkt maßgebend. Eine Rückstellung ist daher bereits dann zu bilden, wenn alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind und die Verpflichtung damit rechtl. voll entstanden (und nur noch der Höhe nach ungewiss) ist. Teilw. wird die Auffassung vertreten, dass es auch hier darauf ankommt, ob eine Zuordnung zu bereits realisierten oder zukünftigen Erträgen gegeben ist (vgl. Herzig, N. 1990, S. 1347; Moxter, A. 1992, S. 431; Moxter, A. 1995, S. 315ff.; Naumann, K.-P. 1991, S. 529ff.; a. A. insbes. Crezelius, G. 1992, S. 1361; Christiansen, A. 1993, S. 38; Siegel, T. 1993, S. 334ff.). Demgegenüber gebietet das Vollständigkeitsgebot den Ausweis von Rückstellungen für rechtl. voll entstandene Verpflichtungen (vgl. z. B. Bartels, P. 1992b, S. 1313ff.; Clemm, H. 1994, S. 169). Auch der BFH stellt auf den jeweils früheren Zeitpunkt ab und lässt die rechtl. Entstehung allein genügen (vgl. BFH I. Senat Urt. v. 27.06.2001, DB 2001, S. 1698; anders BFH VIII. Senat Urt. v. 19.10.1993, DB 1994, S. 18; zunächst offen gelassen im Urt. des IV. Senats v. 13.12.2007, DB 2008, S. 1013 und im Urt. des IV. Senats v. 08.09.2011, BB 2011, S. 3119; jetzt aber zu demselben Ergebnis kommend im Urt. v. 17.10.2013, DB 2014, S. 30). Der I. Senat lehnt einen allg. Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass Aufwendungen den Erträgen zuzuordnen sind, durch die sie wirtschaftlich veranlasst sind, ausdrücklich ab (vgl. BFH-Urt. v. 12.12.1991, BStBl. II 1992, S. 600 und v. 27.06.2001, DB 2001, S. 1698). Dem ist zuzustimmen, wenn die Verpflichtung eine wirtschaftliche Belastung für den Kaufmann darstellt (vgl. Mayer-Wegelin, E. 1995, S. 1241ff.; vgl. zum BFH-Urt. v. a. Christiansen, A. 2002, S. 163; Euler, R. 2001, S. 1897; Kessler, H. 2001, S. 1903; Koths, D. 2001, S. 1849; Weber-Grellet, H. 2002, S. 2180). Öffentlich-rechtl. Verpflichtungen müssen daher konkretisiert sein, insbes. auch durch die Androhung von Sanktionen (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 35 und HdR-E, HGB § 249, Rn. 95). Abstrakte Verpflichtungen, zu denen auch viele öffentlich-rechtl. Gebote gehören, fallen nicht darunter. In derartigen Fällen liegt erst dann eine bilanzierungspflichtige Verbindl. vor, wenn zum allg. geltenden Gebot die Leistungspflicht des Kaufmanns im konkreten Einzelfall begründet wird, d. h. eine wirtschaftliche Last entstanden ist. Liegt eine Verpflichtung dem Grunde nach vor, so entsteht sie der Höhe nach dennoch nur in dem Umfang, in dem der Kaufmann die künftigen Ausgaben bis zum BilSt wirtschaftlich verursacht hat (z. B. durch das Fortschreiten des Abbaus bei Rekultivierungsverpflichtungen oder auch bei periodenweiser Nutzung bei Miete oder Darlehen). Im Übrigen hat ndererseits der BFH den Grundsatz, wonach auf das (tatsächliche) Bestehen einer ungewissen Verbindl. abzustellen ist, nunmehr auch auf die allg. Nachbetreuungsleistungen der Hörgeräte-Akustiker ausgedehnt (vgl. BFH-Urt. v. 05.06.2002, DB 2002, S. 2351).

Der IV. Senat des BFH (Urt. v. 13.12.2007, DB 2008, S. 1013 und Urt. v. 08.09.2011, BB 2011, S. 3119) ließ in Abgrenzung zum I. Senat die Frage zunächst offen, da er im Falle der Nachrüstung von Tankstellen-Zapfsäulen mit einem Gasrückführungssystem die rechtl. Entstehung der Verpflichtung verneint (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 107f.) bzw. zieht die wirtschaftliche Verursachung in bestimmten Fällen auf den Zeitpunkt der rechtl. Entstehung vor (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 39 a. E.). Im letzteren Fall sah der IV. Senat in der rechtl. Entstehung der Kostenschuld für Zulassungskosten eines Pflanzenschutzmittels gleichzeitig die wirtschaftliche Verursachung, da die Schuld nicht mehr von weiteren Ereignissen abhängig war und z. B. auch bei Ablehnung des Antrags bestehen bleibt. Demgegenüber stellt der IV. Senat nunmehr ausschließlich auf das rechtl. Entstehen einer Verbindl. ab, es bedarf dann keiner Prüfung der wirtschaftl. Verursachung mehr (vgl. BFH-Urt. v. 17.10.2013, DB 2014, S. 30 mit Anmerkung von Bode, W.; s. a. Prinz, U. 2014, S. 80). Der 1. Senat des BFH hält in seinem Urt. v. 06.02.2013 (DB 2013, S. 1087, s. dazu Anm. von Hoffmann, W.-D. 2013, S. 1020 und Christiansen, A. 2013, S. 1347) zwar am Vorrang der rechtl. Entstehung fest, sieht aber eine Verbindl. als rechtl. noch nicht entstanden an, solange eine behördliche Übergangsfrist läuft. Damit kommen beide Senate des BFH jetzt zu demselben Ergebnis.

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