Rn. 396

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Bezüglich des zeitlichen Beginns der Aktivierung könnte aus dem Gesetzeswortlaut des § 255 Abs. 2a S. 1 die vollumfängliche Aktivierung der in der Entwicklungsphase angefallenen Aufwendungen zur Herstellung eines immateriellen VG abgeleitet werden. Der Wortlaut legt nahe, dass die während der Entwicklung anfallenden Aufwendungen zu aktivieren sind; dies würde sämtliche Aufwendungen der Entwicklungsphase einschließen, ergo auch jene Aufwendungen, die anfallen, bevor die VG-Eigenschaft des zu entwickelnden immateriellen VG vorliegt (vgl. Küting/Pfirmann/Ellmann, KoR 2008, S. 689 (693); Bonner-HdR (2021), § 255 HGB, Rn. 183). In der RegB heißt es, dass die Aktivierung von Entwicklungskosten eines selbst geschaffenen immateriellen VG von dem Zeitpunkt an zu geschehen hat, ab dem "mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass ein einzeln verwertbarer immaterieller Vermögensgegenstand des Anlagevermögens zur Entstehung gelangt" (BT-Drs. 16/10067, S. 60).

 

Rn. 397

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Eine Aktivierung hat demnach also nicht erst mit Fertigstellung des immateriellen VG zu erfolgen. Diese Vorgehensweise findet sich bereits im Kontext der materiellen VG. Bei den nach § 266 Abs. 2 II. 4. auszuweisenden "Anlagen im Bau" ist am BilSt ebenfalls noch keine Fertigstellung der Anlage gegeben (vgl. ADS (1995), § 266, Rn. 64). Vom Grundsatz her ist dieser Betrachtungsweise auch bei immateriellen VG zuzustimmen. Die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem von der Fertigstellung des immateriellen VG ausgegangen werden kann, ist dabei im Vergleich zu materiellen VG sicherlich schwieriger. Die Entscheidung ist einzelfallbezogen vom Bilanzierenden vorzunehmen und wird sich branchenspezifisch in ihrer Ausprägung unterscheiden. Ein in der Medikamentenentwicklung tätiges Pharma-UN beurteilt die Aktivierung eines immateriellen VG aufgrund der Genehmigungsverfahren zu einem anderen Zeitpunkt als etwa ein Automobilhersteller, der sich mit der Entwicklung eines neuen Modells beschäftigt.

 

Rn. 398

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

"Nur wenn die Entstehung schon so sicher ist, dass es sich bereits um einen Vermögensgegenstand handelt, liegt ein Bezugsobjekt vor, dem die Kosten zugeordnet werden können" (Baumbach/Hopt (2023), § 255 HGB, Rn. 22). Mit der Aktivierung der damit verbundenen Ausgaben erfolgt der Ansatz eines VG; es kommt nicht zu einem Ansatz eines "Noch-nicht-Vermögensgegenstands" (Theile, WPg 2008, S. 1064 (1067); vgl. auch HdR-E, HGB § 248, Rn. 19ff.; NWB HGB-Komm. (2023), § 255, Rn. 201). Der aktivierte immaterielle Wert verkörpert – analog zu unfertigen Erzeugnissen und Anlagen im Bau – noch nicht den angestrebten (fertig gestellten) VG des Entwicklungsprojekts, kann aber trotzdem bereits den Charakter eines verwertbaren Vermögensvorteils besitzen (vgl. hierzu auch NWB HGB-Komm. (2023), § 246, Rn. 16ff.). Die in diesem Stadium gegebene Verwertbarkeit zeigt sich u. a. durch die Existenz eines Markts für Entwicklungsteil- bzw. zwischenergebnisse: der Erwerb von laufenden FuE-Projekten i. R.v. UN-Zusammenschlüssen.

 

Rn. 399

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

In § 255 Abs. 2a Satz 3 werden den in der Forschungsphase gewonnenen Ergebnissen die technische Verwertbarkeit ebenso wie die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten abgesprochen. Im Gegensatz dazu ist in der Entwicklungsphase eine Beurteilung dahingehend zu treffen, ab wann die technische Verwertbarkeit und wirtschaftlichen Erfolgsaussichten als erfüllt anzusehen sind, mithin eine Aktivierung vorgenommen werden kann. An den in IAS 38 enthaltenen Objektivierungskriterien zur Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte soll eine mögliche Vorgehensweise zur Bestimmung des Aktivierungszeitpunkts nach HGB aufgezeigt werden. IAS 38.57 legt sechs Kriterien zugrunde, die Ansatzkonkretisierungen bei selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswerten darstellen (vgl. IFRS-Komm. (2020), IAS 38, Rn. 60ff.; ADS (2002), Abschn. 8 (2006), Rn. 103). Sie können (mit Ausnahme von IAS 38.57(f)) auf die beiden in § 255 Abs. 2a Satz 3 aufgeführten Dimensionen – technische Dimension sowie wirtschaftliche Dimension der Verwertbarkeit – verdichtet werden (vgl. Bonner-HdR (2021), § 255 HGB, Rn. 181f.). Ab dem Zeitpunkt der kumulativen Erfüllung jener Voraussetzungen ist eine Aktivierung der Entwicklungskosten nach IFRS geboten:

  • Die technische Realisierbarkeit der Fertigstellung des immateriellen Vermögenswerts ist insoweit gegeben, als er genutzt oder verkauft werden kann.
  • Es liegt die Absicht vor, den immateriellen Vermögenswert fertig zu stellen sowie ihn zu nutzen oder zu verkaufen.
  • Auch muss das UN überhaupt fähig sein, den immateriellen Vermögenswert zu nutzen oder zu verkaufen.
  • Überdies ist der Nachweis zu erbringen, inwiefern der immaterielle Vermögenswert einen voraussichtlichen künftigen wirtschaftlichen Nutzen erzielen wird, sei es, dass ein (aktiver) Markt dafür existiert oder er für interne Zwecke einen Nutzen entfaltet.
  • Des Weiteren bedarf es der ...

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