Rn. 35

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

In Anbetracht der Vielfalt der wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten von Treuhandverhältnissen kann die Frage des wirtschaftlichen Eigentums und damit einhergehend die Frage der Notwendigkeit der Bilanzierung beim Treuhänder nur anhand der speziellen Ausprägung des einzelnen Treuhandvertrags beantwortet werden.

Eine wesentliche Charakterisierung erhält der Treuhandvertrag durch die Unterscheidung in Vollrechts- und Ermächtigungstreuhand (vgl. zur definitorischen Abgrenzung HdR-E, Kap. 4, Rn. 9). Bei Letzterer behält der Treugeber nicht nur weiterhin sein rechtliches Eigentum, sondern hat auch weitgehende Verfügungsmacht über das Treugut. Somit bleibt er auch nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise Eigentümer, so dass weder eine Bilanzierung noch ein Bericht als Bilanzvermerk oder im Anhang des Treuhänders in Frage kommt (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 246 HGB, Rn. 22). Bei der Vollrechtstreuhand, bei der der Treuhänder rechtlicher Eigentümer wird, genügt jedoch der Erwerb des rechtlichen Eigentums zur Bilanzierung nicht; vielmehr muss noch das wirtschaftliche Eigentum i. S. v. § 246 Abs. 1 Satz 2 hinzukommen. Das RG hat das wirtschaftliche Eigentum eng an das Aussonderungsrecht und die Widerspruchsklage des Treugebers geknüpft, indem es diese Rechte mit dem wirtschaftlichen Eigentum des Treugebers begründet (vgl. RG, Urteil vom 10.10.1917, Rep. V 159/17, RGZ 91, S. 12 (14)). Entfallen diese Rechte, so kann auch das wirtschaftliche Eigentum des Treugebers nicht mehr bestehen. Dies ist gegeben, wenn das Treugut vom Treuhänder für Rechnung des Treugebers von Dritten erworben oder wenn es durch ein Surrogat ersetzt wurde. Einer Bilanzierung beim Treuhänder kann in diesen Fällen nichts entgegenstehen und zwar auch deshalb, weil das Treugut zum haftenden Vermögen zählt. Eine Vollstreckung in das Treugut ist ebenso möglich wie die Zurechnung des Treuguts zur Insolvenzmasse. Da es dem Schutz der Gläubiger dient, wenn das gesamte haftende Vermögen in der Bilanz ausgewiesen wird, ist auch deshalb eine Bilanzierung beim Treuhänder zweckmäßig. Erfolgt eine Aktivierung des Treuguts, muss gleichzeitig der schuldrechtliche Herausgabeanspruch des Treugebers passiviert werden. Unter Beachtung der Grundsätze der Bilanzklarheit (vgl. § 243 Abs. 2) und Bilanzwahrheit sollte jedoch das in der Bilanz ausgewiesene Treuhandvermögen entsprechend gekennzeichnet werden. Würde eine Unterscheidung zum eigenen Vermögen unterbleiben, so läge erstens ein Verstoß gegen das Vermischungsverbot vor und würde zweitens die zuvor stark eingeschränkte, aber immer noch gegebene Verfügungsmacht des Treugebers nicht genügend berücksichtigt. Bezieht sich die Treuhandschaft jedoch auf ein Sicherungsgut, so hat der Treugeber, der i. d. R. Besitzer bleibt und das Sicherungsgut im eigenen UN nutzt, eine so starke wirtschaftliche Verfügungsmacht, dass er wirtschaftlicher Eigentümer bleibt und folglich eine Bilanzierung nur in seiner Bilanz möglich ist.

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