Rn. 117

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Mit dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997 (BGBl. I 1997, S. 2590ff.) wurde entgegen massiver Kritik aus Wissenschaft und Wirtschaft die – handelsrechtlich zwingende – Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (vgl. § 249 Abs. 1) mit dem steuerlichen Verbot (vgl. § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG) aus der StB eliminiert (vgl. BT-Drs. 13/8325, S. 2). Vom Verbot ausgenommen sind Verpflichtungsüberhänge aus Bewertungseinheiten, die technisch vereinfachend als Drohverlustrückstellung abgebildet werden (vgl. § 5 Abs. 4a Satz 2 EStG; Meinert, DStR 2017, S. 1447ff.). In Fällen drohender Verluste bestehen außerhalb steuerlich nachzuvollziehender Ergebnisse aus Bewertungseinheiten (vgl. HdR-E, Kap. 3, Rn. 61ff.) damit zwingende Abweichungen zwischen HB und StB.

 

Rn. 118

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Das fiskalisch motivierte steuerliche Ansatzverbot verstößt gegen elementare GoB, es setzt das Imparitätsprinzip für die Passivseite faktisch außer Kraft. Voraussichtlich dauernde Verluste auf der Aktivseite der Bilanz (durch entsprechende Wertminderungen von WG) können demgegenüber im Wege einer Teilwert-AfA berücksichtigt werden (Wahlrecht; vgl. HdR-E, Kap. 3, Rn. 221ff.). Mit der steuerlich unterschiedlichen Behandlung ökonomisch vergleichbarer (Verlust-)Sachverhalte stehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung im Raum, auch da eine bilanztechnische Verlagerung von Verlusten von der Passiv- auf die Aktivseite möglich ist (vgl. Hoffmann, DStR 2000, S. 15 (16); Arndt/Wiesbrock, DStR 2000, S. 718 (719ff.); H/H/R (2021), § 5 EStG, Rn. 2054; a. A. Krüger, FR 2008, S. 625; Bordewin/Brandt (2020), § 5 EStG, Rn. 683: weiter Ermessensspielraum hinsichtlich des Zeitpunkts der Verlustberücksichtigung). Das BVerfG erkannte in steuerlichen Passivierungsverboten bislang keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit oder dem objektiven Nettoprinzip (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BStBl. II 2009, S. 685, zum Rückstellungsverbot für Jubiläumszuwendungen). Mit steuerrechtlicher Ablehnung der Verlustantizipation hat sich der Fiskus über den Status als "stiller Gesellschafter" hinweg in die Rolle eines "Vorzugsaktionärs" versetzt, was mit der Teilhaberthese als ursprüngliche materielle Rechtfertigung der Maßgeblichkeitsgrundsatzes (vgl. HdR-E, Kap. 3, Rn. 3) nicht zur Deckung zu bringen war (vgl. Moxter, DB 1997, S. 1477 (1478); Bordewin, FR 1998, S. 226 (228, 231ff.); Herzig/Rieck, BB 1998, S. 311ff.; Hoffmann, DStR 2000, S. 580 (581f.); a. A. Weber-Grellet, DB 1997, S. 2233 (2235)). § 5 Abs. 4a EStG markiert einen zentralen Schritt in der bis dato nahezu abgeschlossenen Destruktion der Teilhaberthese als Rechtfertigungsgrundlage und Funktionsleitlinie des Maßgeblichkeitsgrundsatzes.

 

Rn. 119–120

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

vorläufig frei

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