Rn. 318

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Als Langfristfertigung oder mehrperiodische Leistung werden die "Herstellung und Lieferung von Anlagegütern dann bezeichnet, wenn sie sich über einen Abschlußstichtag oder sogar über mehrere hinaus erstrecken" (Busse von Colbe (1992), in: HWRev (1992), Sp. 1197). Die Bedeutung von Großanlagen/Projekten, wie etwa der Bau von Staudämmen, Kraftwerken, Flugzeugen und Schiffen, hat in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen.

Das HGB geht erstaunlicherweise nicht gesondert auf die Langfristfertigung ein (vgl. Schindler, BB 1984, S. 574). Zur zentralen Frage der Langfristfertigung – nämlich der Teilgewinnrealisierung – wird hier nicht Stellung genommen, sondern vielmehr auf HdR-E, HGB § 252, Rn. 98ff., verwiesen (vgl. hierzu insgesamt auch Leuschner, in: FS Budde (1995), S. 377 (383ff.)). Gleichwohl sollen hier zwei Problembereiche adressiert werden, die im (unmittelbaren) Zusammenhang mit der Ermittlung der HK stehen:

 

Rn. 319

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

(1)

§ 255 Abs. 2 Satz 4 regelt ausdrücklich, dass Vertriebskosten nicht in die HK einbezogen werden dürfen (vgl. HdR-E, HGB § 255, Rn. 268ff.). Damit ist klargestellt, dass auch für Sonder-EK des Vertriebs ein Aktivierungsverbot gegeben ist, obwohl diese Regelung im "Widerspruch zur betriebswirtschaftlichen Sichtweise des Problems" (KOM "Rechnungswesen" im VHB, DBW 1983, S. 5 (9)) steht.

Bei UN mit hohen Vertriebs-EK, wie sie z. B. im Anlagenbau mit Langfristfertigung auftreten können, kann das Aktivierungsverbot u. U. zu einer Beeinträchtigung des Aussagewerts führen. Höffken (ZfbF-Sonderheft 20/1986, S. 101 (121f.)) bemängelt zutreffend, dass das Aktivierungsverbot die Besonderheiten des Anlagengeschäfts, die v.a. darin bestehen, dass der Vertrieb zeitlich vor der Fertigung liege und die Kosten einzelnen Aufträgen unmittelbar zugerechnet werden können, nicht berücksichtige. Die Vertriebskosten seien vielmehr eine notwendige Voraussetzung der Produktionsaufnahme.

Weiterhin weisen Sonder-EK des Vertriebs bei langfristiger Auftragsfertigung i. A. "gegenüber anderen Herstellungskosten keine höhere Unsicherheit oder geringere Werthaltigkeit auf" (Weber, DB 1987, S. 393 (398)). Der Begriff der Vertriebskosten sollte daher i. R.d. Langfristfertigung den hier gegebenen Besonderheiten Rechnung tragen und entsprechend (restriktiv) ausgelegt werden (vgl. auch HdR-E, HGB § 255, Rn. 191ff.). Es sollte in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die unterschiedlichen Kostenbestandteile, die ansonsten traditionell als Sonder-EK des Vertriebs zu betrachten sind, auch i. R.d. Langfristfertigung die typischen Merkmale von Vertriebskosten besitzen (vgl. Weber, DB 1987, S. 393 (397f.)). So ist z. B. ein Aktivierungswahlrecht solcher Kosten, die "ihrer Art nach Fertigungskosten und nicht Vertriebskosten sind, auch wenn sie für die Erstellung eines Angebots anfallen" (Höffken, ZfbF-Sonderheft 20/1986, S. 101 (121f.)), als Sonder-GK der Fertigung zu bejahen.

 

Rn. 320

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(2) In Branchen, in denen die Herstellung relativ lange andauert und die üblicherweise mit einem hohen FK-Anteil arbeiten, hatte es sich bereits unter Geltung des AktG 1965 als "gute kaufmännische Übung entwickelt, Fremdkapitalzinsen zu aktivieren, um den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Rechnungslegung zu entsprechen" (HFA 1974, WPg 1974, S. 324). Diese langjährige Übung steht im Einklang mit § 255 Abs. 3 (vgl. HdR-E, HGB § 255, Rn. 302ff.).

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