Rn. 2

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Die vereinfachte Kap.-Herabsetzung gemäß den §§ 229ff. AktG zielt auf die Sanierung notleidender Gesellschaften ab. Die "Vereinfachung" gegenüber der ordentlichen Kap.-Herabsetzung gemäß den §§ 229ff. AktG besteht v.a. darin, dass die Gläubigerschutzvorschrift des § 225 AktG, die u. a. in Abs. 1 eine Sicherheitsleistung auf Verlangen der Gläubiger vorsieht, keine Anwendung findet (vgl. § 229 Abs. 3 AktG, der gerade nicht auf § 225 AktG verweist). An ihre Stelle tritt das Verbot der Auszahlung der durch die Kap.-Herabsetzung frei gewordenen Mittel an die Aktionäre und des Erlasses der Einlagepflicht (vgl. § 230 Satz 1 AktG). Dieses Verbot gilt selbst dann, wenn sich später herausstellt, dass eine vereinfachte Kap.-Herabsetzung in diesem Umfang gar nicht erforderlich war. In diesem Fall sind Differenzbeträge gemäß § 232 AktG in die Kap.-Rücklagen einzustellen (vgl. HdR-E, AktG § 232).

Wegen des Sanierungszwecks und beschränkten Gläubigerschutzes ist die vereinfachte Kap.-Herabsetzung im Unterschied zur ordentlichen Kap.-Herabsetzung oder der Kap.-Herabsetzung durch Einziehung gemäß § 237 AktG, bei denen der Anwendungsbereich nicht beschränkt ist, ausschließlich zur Erreichung der in § 229 Abs. 1 Satz 1 AktG abschließend aufgezählten drei Zwecke erlaubt, nämlich

(1) Ausgleich von Wertminderungen,
(2) Deckung sonstiger Verluste oder
(3) Einstellung von Beträgen in die Kap.-Rücklage.

Im Sanierungsfall (vgl. § 229 Abs. 1 Satz 1, 1. und 2. Alternative AktG) wird der Betrag des Grundkap. an den eingetretenen Verlust von Gesellschaftsvermögen angeglichen, weshalb die vereinfachte Kap.-Herabsetzung auch als "Buchsanierung" bezeichnet wird. In der 3. Alternative des § 229 Abs. 1 Satz 1 AktG erfolgt die Kap.-Herabsetzung dagegen zum Zweck der Rücklagendotierung. Hierdurch soll die Bilanzoptik der Gesellschaft verbessert und ein Polster für zukünftige Verluste geschaffen werden (vgl. KK-AktG (2020), § 229, Rn. 9; Hüffer-AktG (2021), § 229, Rn. 9).

Die vereinfachte Kap.-Herabsetzung wird nicht nur durch die gesetzliche Zweckvorgabe begrenzt, sondern ist zudem gemäß § 229 Abs. 2 Satz 1 AktG nur zulässig, wenn zuvor die Gewinnrücklagen vollständig und die gesetzliche Rücklage sowie die Kap.-Rücklage teilweise aufgelöst werden, des Weiteren eine Verrechnung mit einem etwaigen Gewinnvortrag stattgefunden hat (vgl. § 229 Abs. 2 Satz 2 AktG; so im Ergebnis auch KK-AktG (2020), § 229, Rn. 26ff.; MünchKomm. AktG (2021), § 229, Rn. 32ff.; Hüffer-AktG (2021), § 229, Rn. 11ff.). Der Zweck dieser Bestimmung liegt darin, den mit der vereinfachten Kap.-Herabsetzung verbundenen Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre nur dann zuzulassen, wenn andere Möglichkeiten zur Erreichung der in § 229 Abs. 1 AktG genannten Zwecke nicht bestehen. Die vereinfachte Kap.-Herabsetzung stellt daher gewissermaßen das "letzte Mittel" zur Sanierung einer Gesellschaft dar (vgl. Fabis, MittRhNotK 1999, S. 170 (174); KK-AktG (2020), § 229, Rn. 16; AktG-GroßKomm. (2012), § 229, Rn. 33).

§ 231 AktG beschränkt und ergänzt die Regeln für eine vereinfachte Kap.-Herabsetzung zum Zweck der Dotierung von Rücklagen (vgl. § 229 Abs. 1 Satz 1 (3. Alternative) AktG) und ist hierbei insbesondere im Zusammenhang mit § 229 Abs. 2 Satz 1 zu sehen. Hiernach setzt eine Kap.-Herabsetzung zum Zweck der Rücklagendotierung voraus, dass die Kap.-Rücklage und die gesetzliche Rücklage zuerst so weit aufgelöst werden müssen, dass sie zusammen höchstens noch den Betrag von 10 % des herabgesetzten Grundkap. erreichen. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass das Grundkap. nur im gerade erforderlichen Umfang vermindert und gleichzeitig die Bildung unverhältnismäßig hoher Rücklagen verhindert wird. Dem gleichen Zweck dient § 231 AktG, der den Umfang der nach § 229 Abs. 1 (3. Alternative) AktG zulässigen Dotierung von Rücklagen aus Beträgen, die aus der vereinfachten Kap.-Herabsetzung gewonnen werden, auf das aus § 150 Abs. 2 AktG ableitbare Maß beschränkt, um den mit der Kap.-Herabsetzung stets verbundenen Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre einzugrenzen. Eine Herabsetzung des Grundkap. zur Dotierung der Kap.-Rücklage ist nach § 231 AktG solange nicht zulässig, wie noch Rücklagen i. R.d. § 229 Abs. 2 AktG vor der vereinfachten Kap.-Herabsetzung aufgelöst werden können. Die Norm dient somit schwerpunktmäßig den Interessen der Aktionäre (vgl. AktG-GroßKomm. (2012), § 231, Rn. 3; KK-AktG (2020), § 231, Rn. 2; Hüffer-AktG (2021), § 231, Rn. 1; BeckOK-AktG (2021), § 231, Rn. 1; ADS (1997), § 231 AktG, Rn. 7).

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