A. Vorbemerkungen

I. Verhältnis zum früheren Recht

 

Rn. 1

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Die Vorschrift geht zurück auf die Regelung des § 185 AktG 1937. Gegenüber der Fassung des § 185 AktG 1937 ist jedoch der Anwendungsbereich von § 232 AktG 1965 erweitert und die Berücksichtigung des Nichteintritts zu hoch angenommener Verluste bereits bei der Aufstellung des JA für das im Zeitpunkt des Beschlusses über die vereinfachte Kap.-Herabsetzung laufende GJ vorgeschrieben worden. Durch das sog. Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) vom 19.12.1985 (BGBl. I 1985, S. 2355ff.) wurde § 232 AktG neu gefasst und dahingehend geändert, dass der Differenzbetrag statt in die gesetzliche Rücklage in die Kap.-Rücklage einzustellen ist. Die Änderung war erforderlich, da die gesetzliche Rücklage gemäß § 150 Abs. 2 AktG nur noch aus zurückgehaltenen Gewinnen gebildet werden darf (vgl. § 272 Abs. 3; Hüffer-AktG (2021), § 150, Rn. 2; HB-GesR (2020/IV), § 44, Rn. 2; ADS (1997), § 150 AktG, Rn. 2), der Buchertrag aus der Kap.-Herabsetzung aber eher einer Zuzahlung der Aktionäre i. S. d. § 272 Abs. 2 Nr. 4 gleicht. Eine materielle Änderung der Rechtslage ist hierdurch jedoch nicht eingetreten, da sowohl die gesetzliche Rücklage als auch die Kap.-Rücklage zum gesetzlichen Reservefonds i. S. d. § 150 AktG gehören und demnach nur zu den in § 150 Abs. 3f. AktG genannten Zwecken verwendet werden dürfen (vgl. Hüffer-AktG (2021), § 150, Rn. 1; HB-GesR (2020/IV), § 44, Rn. 7; ADS (1997), § 150 AktG, Rn. 2; zur Umstellung der §§ 231f. AktG im Verhältnis zu den §§ 185f. AktG 1937 HdR-E, AktG § 231, Rn. 1).

II. Zweck der Vorschrift

 

Rn. 2

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

§ 232 AktG ergänzt die Vorschriften des § 229 Abs. 1 AktG wie auch des § 230 AktG über die Zulässigkeit einer vereinfachten Kap.-Herabsetzung und der Verwendung der aus ihr gewonnenen Beträge. § 232 AktG trägt hierbei dem Umstand Rechnung, dass sich die Durchführung einer Kap.-Herabsetzung in der Rückschau oftmals als nicht notwendig darstellt. Dies hat seine Ursache darin, dass der Kap.-Herabsetzung lediglich eine aufgrund der allg. kaufmännischen Bewertungsgrundsätze (vgl. hierzu im Ergebnis, insbesondere zum Prinzip der Bewertungsvorsicht und zum Imparitätsprinzip HdR-E, HGB § 252, Rn. 77ff., 81ff.) aufgestellte Prognose zugrunde liegt und sich häufig die in dieser Prognose zum Ausgleich für erwartete Verluste angenommenen Beträge als nicht identisch mit den hierzu wirklich notwendigen Beträgen herausstellen (vgl. so z. B. den Sachverhalt zum BGH-Urteil vom 05.10.1992, II ZR 172/91, BGHZ 119, S. 305 (307); MünchKomm. AktG (2021), § 232, Rn. 1).

Wurde die vereinfachte Kap.-Herabsetzung in einem größeren Umfang vorgenommen als im Nachhinein tatsächlich notwendig, so entsteht hierdurch ein Buchgewinn. Dieser könnte ohne die Regelung des § 232 AktG jederzeit in den Grenzen des § 233 AktG an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Folglich würde dann die Kap.-Herabsetzung letztendlich entgegen § 230 AktG, der die Ausschüttung der aus der Kap.-Herabsetzung gewonnenen Beträge an die Aktionäre verbietet, doch zu Zahlungen an Aktionäre führen und den Gläubigern ein Teil der durch das Garantiekap. bezweckten Sicherheit entzogen, ohne dass dies nötig gewesen wäre. Rückschauend betrachtet hätte demnach statt einer vereinfachten Kap.-Herabsetzung eine ordentliche Kap.-Herabsetzung durchgeführt werden müssen, bei der § 225 AktG für einen ausreichenden präventiven Gläubigerschutz gesorgt hätte. Da dem jedoch nicht so war, ordnet der dem Schutz der Gläubiger dienende § 232 AktG nachträglich ein Ausschüttungsverbot an, indem er bestimmt, dass überschüssige Beträge in die Kap.-Rücklage einzustellen sind (vgl. BGH, Urteil vom 05.10.1992, BGHZ 119, S. 305 (322); KK-AktG (2021), § 232, Rn. 3; Hüffer-AktG (2021), § 232, Rn. 1; AktG-GroßKomm. (2012), § 232, Rn. 3; MünchKomm. AktG (2021), § 232, Rn. 1; BeckOK-AktG (2021), § 232, Rn. 1; ADS (1997), § 232 AktG, Rn. 2).

Durch die Einstellung in die Kap.-Rücklage wird sichergestellt, dass der durch die Kap.-Herabsetzung gewonnene Betrag weiterhin zur Sicherung der Gesellschaftsgläubiger dient, da er in Zukunft nur zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, eines Verlustvortrags oder zur Kap.-Erhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwendet werden darf (vgl. § 150 Abs. 3f. AktG).

B. Voraussetzungen für die Anordnung der Einstellung in die Kapitalrücklage

I. Differenzbetrag

 

Rn. 3

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Gemäß § 232 AktG müssen Wertminderungen oder sonstige Verluste in der bei der Beschlussfassung angenommenen Höhe tatsächlich nicht eingetreten oder ausgeglichen worden sein. Ob dies der Fall ist, hängt von einem Vergleich der Vermögenslage im Zeitpunkt der Aufstellung des JA mit den Verhältnissen im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Kap.-Herabsetzung ab. Es ist demnach zu fragen, ob sich eine Differenz zu einer (fiktiven) im Zeitpunkt des Kap.-Herabsetzungsbeschlusses nach den Grundsätzen eines JA erstellten Bilanz ergibt, in der entsprechende Verluste ausgewiesen waren (vgl. Hüffer-AktG (2021), § 232, Rn. 3; KK-AktG (2020), § 232, Rn. 4; HB-GesR (2020/IV), § 62, Rn. 27; MünchKomm. AktG (2021), § 232, Rn. 5; unscharf ADS (1997), § 232 AktG, Rn. 7ff...

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