Leitsatz

1. Hat das FA in einem Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG Feststellungen zu mehreren Grundstücken getroffen, von denen eines oder mehrere nicht in die Feststellungen hätte einbezogen werden dürfen, ist der Bescheid insgesamt rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Eine bloße Änderung oder nur teilweise Aufhebung des Feststellungsbescheids ist nicht möglich.

2. Ein inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat.

Für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG ist es ihr nicht mehr zuzurechnen, wenn ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat.

3. Der BFH kann über die Entscheidung des FG hinaus zu Lasten des Revisionsklägers in der Sache entscheiden, wenn die Entscheidung eine unvermeidbare Folge einer prozessual gebotenen Aufhebung des angefochtenen Urteils und der erneuten Entscheidung über den Klageantrag ist.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3, § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG, § 96 Abs. 1 Satz 2, § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 121 FGO

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, erwarb durch Kaufvereinbarung vom 19.4.2004 von der MG 100 % der Anteile an der DN. Die DN war teils mittelbar, teils unmittelbar zu insgesamt 100 % an drei GmbHs beteiligt, die Eigentümer inländischen Grundbesitzes in verschiedenen Bundesländern und FA-Bezirken waren.

Mit Treuhandverträgen vom 20.12.2002 hatte die MG mit den GmbHs jeweils eine Vereinbarungstreuhand begründet. Danach hielten die GmbHs als Treuhänder mit Wirkung ab dem 31.12.2002 einen erheblichen Teil der zu ihrem bisherigen Geschäftsbetrieb gehörenden Vermögensgegenstände einschließlich Grundbesitz, jedoch ohne Beteiligungen, für Rechnung und Gefahr der MG als Treugeber.

Parallel zur Kaufvereinbarung vom 19.4.2004 übertrug die MG sämtliche Rechte und Pflichten aus den Treuhandverträgen auf Tochtergesellschaften der Klägerin. Auch für diese Übertragungen wurde – ebenso wie bereits zuvor für die Treuhandvereinbarungen vom 20.12.2002 – GrESt festgesetzt.

Das seinerzeit zuständige FA stellte die Besteuerungsgrundlagen für den unmittelbaren Erwerb der Anteile an der DN aufgrund der Kaufvereinbarung vom 19.4.2004 gesondert fest. Neben den im Eigentum der drei GmbHs befindlichen Grundstücken erfasste der Bescheid ein im Eigentum einer Tochtergesellschaft einer der GmbHs stehendes Gebäude in Z.

Das FG gab dem Antrag der Klägerin entsprechend der Klage dergestalt statt, dass die Feststellungen nur in Bezug auf das Gebäude in Z verbleiben und im Übrigen aufgehoben werden (Hessisches FG, Urteil vom 12.11.2020, 5 K 2582/11, Haufe-Index 14310628).

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hob der BFH das Urteil des FG aus verfahrensrechtlichen Gründen auf, weil dem FG die Befugnis zu der von ihm vorgenommenen Änderung des angefochtenen Feststellungsbescheids fehlte. Über den Antrag der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren hatte der BFH daher erneut zu entscheiden. Er hob auch den Feststellungsbescheid, einen ergangenen Änderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung auf. § 1 Abs. 3 GrEStG sei nicht erfüllt, da die Grundstücke am 19.4.2004 der DN jedenfalls nicht mehr i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen gewesen seien, wenn sie ihr überhaupt jemals "gehört" hätten. Denn sie seien bereits zuvor, nämlich mit Abschluss der Treuhandverträge vom 20.12.2002, Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs entweder i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG gewesen.

 

Hinweis

1. In materiell-rechtlicher Hinsicht ergeben sich aus dem Besprechungsurteil zu den Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 3 GrEStG und zur Zurechnung von Grundstücken für Zwecke der GrESt folgende Grundsätze:

a) Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt der Steuer, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) GrEStG nicht in Betracht kommt, u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile der Gesellschaft begründet (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG).

b) Ob ein Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", richtet sich weder nach dem Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung.

Ein inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der GrESt unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG...

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