Leitsatz

Das FG München ging mit AdV-Beschluss vom 23.7.2019 der Frage nach, ob und wann berufliche Aktivitäten eines Steuerberaters, die er nach dem Verkauf seiner Kanzlei entfaltet, einer ermäßigten Besteuerung des (Kanzlei-)Veräußerungsgewinns entgegenstehen.

 

Sachverhalt

Der klagende Steuerberater veräußerte seine Steuerkanzlei im Jahr 2011 an zwei Berufskollegen, mit denen er eine Steuerberatungs- und Rechtsanwaltspartnergesellschaft gegründet hatte. Der veräußerte Mandantenstamm wurde von den beiden Berufskollegen in der Gesellschaft genutzt. Der Kläger arbeitete übergangsweise in Teilzeit für die Gesellschaft, um den Wechsel der Mandantschaft hin zur Gesellschaft zu unterstützen. Er nahm später auch in geringem Umfang wieder eine freiberufliche Beratungstätigkeit auf. Aufgrund der fortgeführten beruflichen Aktivitäten des Klägers lehnte das Finanzamt eine ermäßigte Besteuerung des Gewinns aus der Praxisveräußerung nach § 34 Abs. 3 EStG ab.

 

Entscheidung

Das FG gewährte dem Kläger die beantragte Aufhebung der Vollziehung und formulierte im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Ablehnung der ermäßigten Besteuerung. Nach Ansicht des Gerichts standen die fortgesetzten beruflichen Aktivitäten des Steuerberaters der tarifermäßigten Besteuerung des Veräußerungsgewinns nicht entgegen. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung setzt eine tarifbegünstigte Praxisveräußerung voraus, dass die wesentlichen, vermögensmäßigen Grundlagen der selbständigen Tätigkeit (darunter der Mandantenstamm) übertragen werden und der Verkäufer seine Tätigkeit in seinem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit einstellt. Letztere Voraussetzung beruht auf der Überlegung, dass es bei einer fortgesetzten Tätigkeit im bisherigen Wirkungskreis nahe liegt, dass ein Freiberufler seine Mandantenbeziehungen auf eigene Rechnung weiter nutzt und es somit nicht zu einer definitiven Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen der Praxis auf den Erwerber kommt.

Nach Gerichtsmeinung schloss die fortgeführte berufliche Tätigkeit des Steuerberaters in der Partnergesellschaft die ermäßigte Besteuerung des Veräußerungsgewinns nicht aus, da die Mandanten nicht mehr auf seine eigene Rechnung betreut worden waren, sondern die Mandantenbeziehungen in der Gesellschaft verwertet worden sind. Unschädlich für die ermäßigte Besteuerung war nach Ansicht des Gerichts auch die spätere Wiederaufnahme der selbständigen Beratungstätigkeit, da die (eigenständige) berufliche Tätigkeit des Steuerberaters zuvor für eine hinreichend lange Zeit eingestellt worden war. Entscheidend war unter anderem, dass der Steuerberater zunächst für 30 Monate in der Partnergesellschaft für die dortige "Anwachsung" der Mandantenbeziehungen gesorgt hatte.

 

Link zur Entscheidung

FG München, Beschluss vom 23.07.2019, 1 V 1211/19

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