Leitsatz

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, in denen sich ein Steuerpflichtiger aufgrund des EuGH-Urteils Mensing vom 29.11.2018 – C‐264/17 (EU:C:2018:968) darauf beruft, dass auch die Lieferung von Kunstgegenständen, die er zuvor im Rahmen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung vom Urheber (oder dessen Rechtsnachfolgern) erworben hat, unter die Differenzbesteuerung der Art. 311 ff. MwStSystRL fällt, nach Rz 49 dieses Urteils die Bemessungsgrundlage ausschließlich nach Unionsrecht zu bestimmen, so dass die Auslegung einer Vorschrift des nationalen Rechts (hier: § 25a Abs. 3 Satz 3 UStG), dass die auf den innergemeinschaftlichen Erwerb entfallende Steuer nicht zur Bemessungsgrundlage gehört, durch das letztinstanzliche nationale Gericht nicht zulässig ist?

2. Falls die Frage 1 bejaht wird: Sind die Art. 311 ff. MwStSystRL dahingehend zu verstehen, dass bei Anwendung der Differenzbesteuerung auf Lieferungen von Kunstgegenständen, die zuvor vom Urheber (oder dessen Rechtsnachfolgern) innergemeinschaftlich erworben wurden, die auf den innergemeinschaftlichen Erwerb entfallende Steuer die Handelsspanne (Marge) mindert, oder liegt insoweit eine planwidrige Lücke des Unionsrechts vor, die nicht von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung, sondern nur vom Richtliniengeber geschlossen werden darf?

 

Normenkette

§ 25a Abs. 3, Abs. 7 Nr. 1 Buchst. a UStG, Art. 312, 315, 316 und 317 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL).

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Kunsthändler. Im Jahr 2014 (Streitjahr) bezog er u.a. Kunstgegenstände von Künstlern, die im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig waren. Die Künstler erklärten im EU-Ausland steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen und der Kläger steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe im Inland (ermäßigter Steuersatz).

Der Kläger begehrte die Anwendung der Differenzbesteuerung und zog die USt auf den innergemeinschaftlichen Erwerb ab, was das FA ablehnte.

Der EuGH entschied auf Vorlage des FG mit seinem Urteil Mensing (a.a.O.), dass der Kläger für die Umsätze die Differenzbesteuerung anwenden darf, aber ihm kein Recht auf Vorsteuerabzug zusteht.

Das FG als Vorinstanz (FG Münster, Urteil vom 7.11.2019, 5 K 177/16 U, Haufe-Index 10969753, EFG 2020, 408) gab daraufhin der Klage statt. Es entschied, die USt auf die innergemeinschaftlichen Erwerbe sei margenmindernd zu berücksichtigen, obwohl nach den Rz. 52 ff. der Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar (EU:C:2018:722) keine dem Art. 317 Satz 2 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL) vergleichbare Regelung für innergemeinschaftliche Erwerbe existiere.

 

Entscheidung

Der BFH rief zu den im Leitsatz genannten Fragen erneut den EuGH an.

 

Hinweis

1. Im Jahr 2018 hat sich der EuGH (Urteil vom 29.11.2018 C-264/17, Mensing, Haufe-Index 12481967) zum ersten Mal mit der Differenzbesteuerung des § 25a UStG im Fall eines vorangegangenen innergemeinschaftlichen Erwerbs befasst. Dabei war leider offengeblieben, ob die USt auf den innergemeinschaftlichen Erwerb die Marge mindert. Generalanwalt Szpunar hatte das in seinen Schlussanträgen verneint, ohne dass der EuGH sich dazu (zustimmend oder ablehnend) geäußert hätte.

2. Dies führt nun dazu, dass der BFH meint, ein zweites Mal den EuGH anrufen zu müssen. Er vertritt die Auffassung, sowohl nach nationalem Recht als auch nach Unionsrecht die USt margenmindernd berücksichtigen zu können, fragt sich aber, ob das nationale Recht in einem "Berufungsfall" anwendbar ist (Frage 1) und ob er das Unionsrecht anders auslegen darf als der Generalanwalt in den Schlussanträgen (Frage 2).

 

Link zur Entscheidung

BFH, EuGH-Vorlage vom 20.10.2021, XI R 2/20

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