Leitsatz

1. Ein Beteiligter darf erst dann davon ausgehen, dass er ein bestimmtes Dokument erfolgreich an das Gericht übermittelt hat, wenn er für das übermittelte Dokument vom Gericht eine Bestätigung gemäß § 52a Abs. 5 Satz 2 FGO erhalten hat. Dies ist vom Beteiligten zu kontrollieren.

2. Auch ein Finanzamt darf nicht ohne Verschulden davon ausgehen, dass die Kontrolle des Erhalts einer Eingangsbestätigung des Gerichts entbehrlich sei. Dies gilt unabhängig davon, ob es verwaltungsintern zur Durchführung dieser Kontrolle angewiesen ist oder nicht.

3. Die Finanzverwaltung kann ihre Sorgfaltspflichten bei der elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht nicht selbst durch Verwaltungsanweisungen definieren. Außerdem kann es an sich selbst keine geringeren Anforderungen stellen als an die anderen Beteiligten, die zur elektronischen Übermittlung an das Gericht verpflichtet sind.

 

Normenkette

§ 56, § 52d, § 52a Abs. 5 Satz 2 FGO

 

Sachverhalt

Das FG (FG Münster, Urteil vom 2.11.2021, 15 K 2736/18 U, Haufe-Index 14984193, EFG 2022, 193) gab mit Urteil vom 2.11.2021 der Klage statt und ließ die Revision zu. Das Urteil wurde dem FA am 16.11.2021 elektronisch zugestellt. Hiergegen legte das FA fristgerecht Revision ein. Die Begründungsfrist wurde antragsgemäß bis zum 17.2.2022 verlängert.

Mit Telefax vom 15.2.2022 übermittelte das FA dem BFH die "in der elektronisch übermittelten Revisionsbegründung vom 15.02.2022 angekündigten Anlagen". Die Geschäftsstelle des BFH informierte das FA am 18.2.2022 unter Verweis auf § 56 FGO darüber, dass zwar die per Telefax übermittelten Anlagen vorlägen, die im Telefaxschreiben angekündigte, elektronisch zu übermittelnde Revisionsbegründung jedoch nicht eingegangen sei.

Daraufhin richtete das FA ein "Ticket" zur Erforschung der Gründe für die nicht erfolgte Übermittlung an das zuständige Rechenzentrum der Finanzverwaltung (RZF). Die Revisionsbegründung wurde daraufhin am 2.3.2022 elektronisch an den BFH übermittelt. Mit Schreiben vom gleichen Tag beantragte das FA Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Zur Begründung hat das FA vorgetragen, es sei durch einen technischen Fehler ohne Verschulden verhindert gewesen, die Frist zur Begründung der Revision einzuhalten. Das jeweilige FA übermittle den elektronischen Schriftsatz nach bestimmten technischen Vorgaben an das RZF, das den Schriftsatz elektronisch an den BFH weiterleite. Scheitere die Übermittlung aufgrund eines bekannten ("definierten") Fehlers, erfolge eine Fehlermeldung durch das RZF an das FA. Aufgrund eines zum damaligen Zeitpunkt noch nicht bekannten Fehlers sei keine Übermittlung erfolgt, aber auch eine Fehlermeldung unterblieben. Das FA habe mangels Fehlermeldung des RZF keinen Grund gehabt, an einer erfolgreichen Übermittlung an den BFH zu zweifeln. Erst nach dem Hinweis des BFH sei der Fehler aufgefallen und am 23.2.2023 behoben worden. Vor diesem Hintergrund habe das FA als Absender alles getan was zur Übermittlung der Revisionsbegründung erforderlich gewesen sei, und dabei insbesondere die internen Vorgaben der OFD beachtet. Somit sei das FA ohne Verschulden gehindert gewesen, die Begründungsfrist einzuhalten.

 

Entscheidung

Der BFH verwarf die Revision als unzulässig. Auch die Finanzverwaltung muss kontrollieren, ob sie vom Gericht eine elektronische Empfangsbestätigung erhält, und darf vor deren Erhalt nicht von einer erfolgreichen Übermittlung ausgehen.

 

Hinweis

1. Die Finanzverwaltung ist seit dem 1.1.2022 verpflichtet, am elektronischen Rechtsverkehr teilzunehmen, d.h. u.a. Dokumente auf elektronischem Weg an die Finanzgerichtsbarkeit zu senden (§ 52d FGO). Sie nutzt dafür das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo), das auf der EGVP-Infrastruktur basiert. Allerdings hat (aus welchen Gründen auch immer) nicht jedes FA sein eigenes Postfach erhalten, sondern die Übermittlung erfolgte im Besprechungsfall über ein Rechenzentrum der Finanzverwaltung (RZF).

2. Das RZF hat aber nicht beachtet, dass bereits seit dem Jahr 2021 nach der Rechtsprechung des BGH zu § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO (BGH, Urteil vom 11.5.2021 VIII ZB 9/20, Haufe-Index 14558281 Rz. 21 ff.; seither ständige Rechtsprechung), der der BFH mit dem Besprechungsbeschluss auch zum inhaltsgleichen § 52a Abs. 5 Satz 2 FGO folgt (vgl. allgemein bereits BFH, Beschluss vom 25.5.2022, X B 158/21, BFH/NV 2022, 1184), die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung die Kontrolle verlangt, ob die Eingangsbestätigung für das elektronische Dokument vom Gericht erteilt wurde. Bleibt die Eingangsbestätigung aus, muss dies den Absender zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen. Dies haben weder das Rechenzentrum noch das FA getan, was zu ihren Lasten geht.

3. Für das FA ist diese Erkenntnis in gewisser Weise bitter, hat es sich doch an die internen Arbeitshilfen und Verwaltungsanweisungen gehalten. Dies kann das FA allerdings nicht entlasten. Das RZF muss prüfen und den FA mitteilen, ob die Übermittlung erfolgreich war, damit das FA sei...

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