Leitsatz

Das Tatbestandsmerkmal des "zu erstattenden Betrags" in § 233a Abs. 3 Satz 3 AO umfasst auch den Betrag, der im Weg der Aufhebung der Vollziehung vorab erstattet wird, wenn die Steuer in einem nachfolgenden Änderungsbescheid tatsächlich herabgesetzt wird.

 

Normenkette

§ 233a AO

 

Sachverhalt

Das FA hatte die ESt 1992 auf 2.441.239 DM festgesetzt und in einem (weiteren) Änderungsbescheid auf 4.808.349 DM erhöht. Die Kläger hatten die Steuerschuld und die hierauf entfallenden Nachzahlungszinsen entrichtet.

Der Antrag auf AdV dieses Bescheids hatte i.H.v. 2.330.765 DM Erfolg. Das FA erstattete diesen Betrag.

Die ESt 1992 wurde später (mit Bescheiden vom 20.1.1997 und 29.1.1997) wegen eines Verlustrücktrags aus 1993 und 1994 auf 2.117.772 DM herabgesetzt. Das führte zu einer weiteren Erstattung von 2.477.584 DM. Nur diesen Betrag legte das FA der Berechnung der Erstattungszinsen zugrunde. Die Kläger waren dem gegenüber der Ansicht, dass auch der Betrag zu verzinsen sei, dessen Vollziehung aufgehoben worden sei. Das FG gab der Klage im Wesentlichen statt (EFG 2002, 1346).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Der Zinsberechnung nach § 233a Abs. 5 AO sei bei Änderung der Steuerfestsetzung in sinnentsprechender Auslegung der Vorschrift der tatsächliche Liquiditätsvorteil des Steuergläubigers zugrunde zu legen. Danach seien auch Steuerzahlungen zu verzinsen, die nach einer AdV erstattet würden. Die abweichende Auslegung des § 233a durch die bisherige Rechtsprechung sei durch die Neufassung der Vorschrift überholt.

 

Hinweis

Für die Zinsberechnung i.S.v. § 233a AO maßgebend ist bei einer geänderten Steuerfestsetzung der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer (§ 233a Abs. 5 Satz 2 AO). Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags aus den bereits geleisteten Steuerzahlungen zu verzinsen (§ 233a Abs. 5 Satz 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 AO). Ungeklärt war bisher, ob bei einer zugunsten des Steuerpflichtigen geänderten Festsetzung nur der aufgrund dieser Festsetzung noch zu erstattende Betrag zu verzinsen ist oder ob auch die den vorab geleisteten Erstattungen zugrunde liegenden Steuererzahlungen verzinst werden müssen. Im Streitfall stellte sich die Frage für eine Erstattung nach vorausgegangener teilweise erfolgreicher AdV.

Ginge man bei der Lösung von der früheren Rechtsprechung des BFH aus (Urteil vom 15.3.1995, I R 56/93, BStBI II 1995, 490 und vom 26.1.2000, IX R 11/96, BFH/NV 2000, 1177 – jeweils für Steuernachforderungen) käme es für die Verzinsung darauf an, welcher Erstattungsforderung im Zeitpunkt der geänderten Steuerfestsetzung "die Eignung zukommt, noch fällig zu werden"(sog. Ist-Verzinsung). Das würde dazu führen, dass im Fall einer Steuernachforderung eine Verzinsung unterbleiben müsste, wenn der Steuerpflichtige kurz vor Erlass des Steuerbescheids freiwillige Zahlungen leistet (vgl. u.a. BFH, Beschluss vom 31.5.2001, IV B 141/00, BFH/NV 2001, 1375) und im Fall einer Steuererstattung die Steuerzahlung i.H.d. vorab erstatteten Betrags für die Zinsberechnung unbeachtlich wäre (so hier das FA). Dass das zu wirtschaftlich ungerechtfertigten Ergebnissen führen würde, liegt auf der Hand; es bliebe unberücksichtigt, dass im erstgenannten Fall der Steuerpflichtige, im zweiten Fall der Fiskus einen über längere Zeit zinslosen Liquiditätsvorteil hätte.

Eine interessengerechte Lösung muss die Liquiditätsvorteile bzw. -nachteile berücksichtigen (sog. Soll-Verzinsung). Den Anlass für eine entsprechende Änderung der Rechtsprechung bietet die Neufassung des § 233a Abs. 1 AO, die die Folgen der bisherigen Rechtsprechung hinsichtlich der Verzinsung von Steuernachforderungen korrigieren wollte (BT-Drucks. 13/5952, S. 56). Für Steuererstattungen kann nichts anderes gelten. Das hat der BFH hier für Erstattungen aufgrund einer AdV entschieden, gilt aber auch für vorab erstattete Beträge, die auf einer anderen Rechtsgrundlage beruhen. Für Steuerfestsetzungen, die auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 EStG beruhen, ist allerdings der durch das Jahressteuergesetz 1997 in § 233a AO eingefügte Abs. 2a zu beachten; danach beginnt der Zinslauf abweichend von Abs. 2 Sätze 1 und 2 fünfzehn Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 19.04.2005, VIII R 12/04

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