Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzinsungsanspruch nach § 233a AO für im Wege der Aufhebung der Vollziehung erstatteten Einkommensteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei Änderung der Steuerfestsetzung und zwischenzeitlicher Aufhebung der Vollziehung ist ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen bis zum Wirksamwerden der Vollziehungsaufhebung zu verzinsen. In diesem Umfang ist die Verzinsung nicht auf den verbleibenden noch zu erstattenden Betrag i. S. d. § 233a Abs. 3 Satz 3 AO begrenzt.

 

Normenkette

AO § 233a Abs. 3 S. 3, Abs. 5 Sätze 2, 4

 

Streitjahr(e)

1992

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die aufgrund einer gewährten Aufhebung der Vollziehung vorläufig erstattete Einkommensteuer zu verzinsen ist.

Die Kläger zu 2. bis 5. sind Rechtsnachfolger der am 08.08.1998 verstorbenen Frau „A”. Der Kläger zu 1. war mit der Verstorbenen im Veranlagungszeitraum 1992 verheiratet. Sie wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit Einkommensteuerbescheid vom 11.04.1995 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 1992 auf 2.441.239 DM fest. Mit Bescheid vom 11.08.1995 wurde die Einkommensteuer auf 4.757.324 DM erhöht, wodurch sich eine Einkommensteuernachzahlung i. H. v. 2.316.085 DM ergab. Am 19.01.1996 erließ der Beklagte einen weiteren Änderungsbescheid, mit dem die Einkommensteuer auf 4.808.349 DM festgesetzt wurde, sodass der Kläger zu 1. und seine Ehefrau weitere 51.025 DM Einkommensteuer nachzuzahlen hatten.

Die Nachzahlungsbeträge und die dazu festgesetzten Nachzahlungszinsen (§ 233a Abgabenordnung - AO -) wurden am 18.09.1995 und am 26.02.1996 entrichtet.

Gegen den Bescheid vom 11.04.1995 legten der Kläger zu 1. und seine Ehefrau Einspruch ein. Auf Antrag gewährte der Beklagte mit Verfügung vom 12.07.1996 hinsichtlich der Einkommensteuer die Aufhebung der Vollziehung i. H. v. 2.330.765 DM ab Fälligkeit und erstattete diesen Betrag.

Wegen eines Verlustrücktrages aus 1993 wurde mit Bescheid vom 20.01.1997 die Einkommensteuer auf 2.117.772 DM herab gesetzt. Im Vergleich zu der bisher festgesetzten Steuer - jeweils vermindert um anzurechnende Steuerabzugsbeträge und Körperschaftsteuer - ergab sich ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Klägers zu 1. und seiner Ehefrau i. H. v. 2.690.577 DM. Der Beklagte legte einen Betrag von 359.812 DM (vgl. Seite 3 des Bescheides vom 20.01.1997) zur Berechnung der Zinsen zur Einkommensteuer zugrunde und setzte Erstattungszinsen i. H. v. 47.480 DM fest.

Mit Bescheid vom 29.01.1997 setzte der Beklagte wegen eines Verlustrücktrages aus 1994 die Einkommensteuer auf 0 DM herab. Durch diesen Bescheid erledigte sich der Einspruch gegen den Bescheid vom 11.04.1995. Gleichzeitig wurden Zinsen zur Einkommensteuer i. H. v. -226.833 DM (-179.352 DM + -47.480 DM) festgesetzt, welche dem Kläger zu 1. und seiner Ehefrau erstattet wurden.

Gegen die Zinsfestsetzungen vom 20.01.1997 und 29.01.1997 legten der Kläger zu 1. und seine Ehefrau am 24.02.1997 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, es sei der Erstattungsbetrag von 4.592.066 DM zu verzinsen. Wegen der Aufhebung der Vollziehung sei ein Betrag i. H. v. 2.114.566 DM bei der Berechnung der Erstattungszinsen nicht berücksichtigt worden.

Am 05.03.1998, 23.03.1998, 12.01.1999 und 13.01.1999 ergingen nach § 10d Abs. 1 S. 2 EStG geänderte Einkommensteuerbescheide. Es verblieb jeweils bei der Steuerfestsetzung auf 0 DM und damit verbunden bei der Zinsfestsetzung auf - 226.833 DM.

Mit Einspruchsentscheidung vom 29.07.1999 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er führte aus, dass nach § 233a Abs. 3 S. 3 AO die Ist-Verzinsung anzuwenden sei. Diese sei begrenzt auf den tatsächlich zu erstattenden Betrag. Dadurch solle verhindert werden, dass der Steuerpflichtige Zinsen für Beträge erhalte, die er auf das Vorsoll nicht gezahlt habe, und dass man Zeiträume in die Verzinsung einbeziehe, in denen der Steuerpflichtige das Vorauszahlungssoll noch nicht erfüllt habe.

Hiergegen haben die Kläger am 31.08.1999 Klage erhoben.

Sie tragen vor:

Die im Wege der Aufhebung der Vollziehung erstatteten Beträge seien analog §§ 233a, 236, 237 AO zu verzinsen, da die Vorschriften der Abgabenordnung insoweit lückenhaft seien. Vor dem Hintergrund der automatisierten Steuerfestsetzung sei der Gesetzgeber verpflichtet, spätestens zum heutigen Zeitpunkt eine Vollverzinsung zu gewährleisten. Unabhängig von der Entwicklung der Zinsvorschriften in der AO sei die mit dem Jahressteuergesetz 1997 eingefügte Beschränkung in § 361 Abs. 2 S. 4 AO im Streitfall nicht anwendbar, weil die Erstattung bereits 1996 erfolgt sei.

Da der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 361 AO offensichtlich den Fall der Verzinsung der Aufhebung der Vollziehung nicht geregelt habe, bestünde eine Lücke im Gesetz. Aus der Untätigkeit des Gesetzgebers könne nicht geschlossen werden, dass er diese Fälle bewusst von einer Verzinsung habe ausnehmen wollen. Für die Nachforderung/Erstattung bereits festgesetzter Steuern enthalte § 233a AO eine abschließende Regelung. Der Fall einer Verzinsung im Rahme...

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