Rz. 5

Fälligkeit wird zivilrechtlich als der Zeitpunkt bezeichnet, von dem ab der Gläubiger die Leistung verlangen kann.[1] Zur Problematik der (insolvenzrechtlichen) Fälligkeit der bestehenden Verbindlichkeiten sind u. a. die Ausführungen des BGH im Beschluss vom 19.7.2007[2] zu berücksichtigen: "Im allgemeinen Zivilrecht wird mit ‚Fälligkeit‘ derjenige Zeitpunkt bezeichnet, von dem ab der Gläubiger die Leistung fordern kann. Ob dies auch für § 17 Abs. 2 InsO gilt, ist in der Literatur umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt. Der Wortlaut des § 17 Abs. 2 InsO scheint eindeutig zu sein. Zweifel an der Maßgeblichkeit des zivilrechtlichen Begriffs der Fälligkeit auch für die Vorschrift des § 17 Abs. 2 InsO folgen jedoch aus der unterschiedlichen Funktion, welche die ‚Fälligkeit‘ einer Forderung im jeweiligen Regelungszusammenhang erfüllt. Zivilrechtlich ist die Fälligkeit einer Forderung Voraussetzung für den Schuldnerverzug und die Erhebung der Leistungsklage sowie Anknüpfung für den Verjährungsbeginn (…). Insolvenzrechtlich geht es demgegenüber um den Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, von dem der Übergang von der Einzelzwangsvollstreckung zur Gesamtvollstreckung zu erfolgen hat. (…) Ob dieser Zeitpunkt gekommen ist, hängt nicht notwendig allein von der Frage ab, in welchem Umfang die Gläubiger des Schuldners Zahlung verlangen können. Die Frage, ob die Zahlungen tatsächlich eingefordert werden, ist nicht von vornherein unerheblich."

An dieses "tatsächliche Einfordern" sind in den weiteren Entscheidungsausführungen[3] allerdings niedrige Maßstäbe anzulegen. "Nach wie vor ist nicht zu verlangen, dass ein Gläubiger ein Zahlungsverlangen regelmäßig oder auch nur ein einziges Mal wiederholt, um sicherzustellen, dass seine Forderung bei der Prüfung der Eröffnungsvoraussetzungen Berücksichtigung findet. Der Zweck der Vorschrift des § 17 InsO, den richtigen Zeitpunkt für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu finden, gebietet die Berücksichtigung auch solcher Gläubiger, die den Schuldner zur Zahlung aufgefordert, dann aber weitere Bemühungen eingestellt haben, ohne ihr Einverständnis damit zum Ausdruck zu bringen, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit vorerst nicht erfüllt."

 

Rz. 6

Die Auslegung des Merkmals "Einfordern" wird in einer weiteren aktuellen Entscheidung des BGH vom 14.5.2009[4] vorgenommen. So wird hier in der Urteilsbegründung einschlägig ausgeführt: "Sinn und Zweck des § 17 InsO gebieten in Übereinstimmung mit dem Verständnis der Konkursordnung an dem Erfordernis des ‚ernsthaften Einforderns‘ als Voraussetzung einer die Zahlungsunfähigkeit begründenden oder zu dieser beitragenden Forderung festzuhalten. Von der Nichtzahlung einer i. S.d. § 271 I BGB fälligen Forderung darf nicht schematisch auf die Zahlungsunfähigkeit i. S. v. § 17 InsO geschlossen werden. Eine Forderung ist vielmehr in der Regel dann i. S. v. § 17 II InsO fällig, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen im Allgemeinen ergibt. Hierfür genügend, aber nicht erforderlich ist die Übersendung einer Rechnung."[5]

Eine solche Fälligkeit tritt nicht ein für rechtlich oder tatsächlich (d. h. ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärung) gestundete Beträge. Forderungen, die rechtlich oder auch nur tatsächlich – also ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärung – gestundet sind, dürfen bei der Feststellung der Zahlungseinstellung und Zahlungsunfähigkeit nicht berücksichtigt werden.[6]

In seiner Entscheidung vom 20.12.2007[7] verdeutlicht der BGH, dass einer Stundung bezüglich der Fälligkeitswirkung ein bloßes Stillhalteabkommen gleichsteht. So wird einschlägig ausgeführt: "Bei der Prüfung, ob der Schuldner zahlungsunfähig ist, darf eine Forderung, die früher ernsthaft eingefordert war, nicht mehr berücksichtigt werden, wenn inzwischen ein Stillhalteabkommen – das keine Stundung im Rechtssinne enthalten muss – mit dem Gläubiger geschlossen wurde."[8]

Seitens der Geschäftsführung sollte ferner bedacht werden, dass insbesondere die von einem Kreditinstitut nicht ausdrücklich genehmigte Überziehung der Geschäftskreditlinie nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken und Sparkassen sofort fällig werden kann.[9]

 

Rz. 7

Des Weiteren ist im Zusammenhang mit der Fälligkeitsproblematik auch zu thematisieren, wie mit einwendungs- bzw. einredebehafteten Forderungen umzugehen ist. Es ist häufiger festzustellen, dass nach einer vorgenommenen Betriebsprüfung auch nach der erfolgten Schlussbesprechung Feststellungen des Betriebsprüfers streitig bleiben, sodass zwar zunächst entsprechende Steuerbescheide ergehen, diese dann aber im Wege eines Einspruchs- bzw. Klageverfahrens in rechtlicher und/oder tatsächlicher Hinsicht überprüft werden können. Dieser Prozess zieht sich nicht selten über einen Zeitraum von mehreren Jahren hin. In der Praxis kommt es nun aber häufiger vor, dass die vorhandenen liquiden Mittel eines Krisenunternehmens nicht mehr a...

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