3.1.1 Prozessziel

Bestände möglichst niedrig halten

Vorräte binden analog zu den beiden anderen Working Capital-Positionen Liquidität und erhöhen das gebundene Kapital. Es ist daher ein grundsätzliches Ziel im Working Capital Management, die Lagerbestände (Rohmaterial, WIP: Work-In-Progress und Fertigbestände) im Rahmen des Forecast-to-Fulfill-Prozesses so gering wie möglich zu halten bzw. zu reduzieren. Eine Erfolgsvoraussetzung sind dabei klare Verantwortlichkeiten: Wer trägt im Unternehmen die Verantwortung für die Höhe der Vorräte?

Die Optimierung der Vorräte ist insbesondere für Produktions-, aber auch für Handelsunternehmen wichtig, da Unternehmen der Dienstleistungsbranche naturgemäß geringe bis keine Vorräte aufweisen. Ein systematisches Vorratsmanagement muss stets im Kontext der Unternehmensstrategie und der verfolgten Supply-Chain-Strategie gesehen werden, da z. B. bei Produktionsunternehmen die Anzahl der Produktvarianten, die unternehmensspezifische Fertigungstiefe, aber auch die Art der Fertigung (Einzelfertigung vs. Serienproduktion) die Vorratshöhe massiv beeinflussen. Diese Charakteristika sind bei Vergleichen zwischen Unternehmen und Branchen zu berücksichtigen.

Grundsätzlich lassen sich 3 Stoßrichtungen zur Vorratsoptimierung unterscheiden:

  • die zeitliche Optimierung des Kostenanfalls (Wertzuwachskurve),
  • die Reduktion der Bestandsmenge und
  • die Senkung der Stückkosten.

Abb. 10: Stoßrichtungen zur Vorratsoptimierung[1]

In allen Fällen ist bei der Reduktion der Kapitalbindung der Vorräte die Supply-Chain-Strategie des Unternehmens (z. B. hinsichtlich Kundenservice- oder Flexibilitätsaspekten) zu beachten und die Prozessgestaltung auf die Produkte und die Bedarfsstruktur des Unternehmens auszurichten.

[1] Quelle: Losbichler, 2009.

3.1.2 Prozessdarstellung

Der Forecast-to-Fulfill-Prozess kann in Teilprozesse gegliedert werden, die sich zugleich als Orientierungsrahmen zur systematischen Ableitung von Optimierungsmaßnahmen in Bezug auf das Vorratsvermögen anbieten (s. Abb. 11). Diese Teilprozesse sind tendenziell gemäß ihrer zeitlichen Reihenfolge aufgereiht und in zugehörige, wesentliche Sub-Prozesse untergliedert. Jedem Teil- bzw. Unterprozess sollte ein Process-Owner zugeordnet sein.

3.1.3 Optimierungsmöglichkeiten

Zu jedem Teilprozess gibt es spezielle Optimierungsmöglichkeiten.

Produkt-­Sortiments-­Management

Eine wesentliche Basis für die Optimierung der Vorräte ist die Materialstammdatenpflege im Teilprozess Produkt-Sortiments-Management: ohne aktuelle, stimmige Daten ist die gesamte Materialbestands- und -bedarfsrechnung auf Sand gebaut. Zudem sind Bestände und Produkte nach Art und Bedeutung einzuteilen. So ist z. B. das Produktlebenszyklusmanagement für das Abstimmen der notwendigen Bestände bei auslaufender Produktion entscheidend.

Forecast und Absatzplanung

Im Teilprozess Forecast und Absatzplanung gilt es, den voraussichtlichen Kundenbedarf möglichst genau zu prognostizieren und in die eigene Auftragsabwicklung einzusteuern sowie Vorabinformationen an die Lieferanten weiterzuleiten.

Auftrags­abwicklung und Kundenservice

Der nächste Teilprozess umfasst die Planung und Steuerung von Auftragsabwicklung und Kundenservice. Vorratsbestand beeinflussend sind Lieferkonditionen, -frequenzen und Bestellmengen ebenso wie der angestrebte Level an Kundenservice und die Einhaltung der Lieferzeiten.

Materialplanung und Beschaffung

Mit Materialplanung und Beschaffung wird die Materialeindeckung geregelt. Anlieferkonzepte (z. B. Konsignationslager, JIT: Just in Time, JIS: Just in Sequence), Optimierung der Sicherheitsbestände, Bestellmengen, Dispositionszyklen können Ansätze zur Vorrats- und damit Working Capital-Optimierung sein. Auch die Optimierung der Lieferantenbasis durch Konzentration auf ausgewählte strategische Kernlieferanten kann das Beschaffungsportfolio straffen und neben ertragswirksamen Materialkostenoptimierungen auch zur Optimierung der Cash-Abflüsse im Rahmen von Bestell- und Anliefervorgängen beitragen.

Abb. 11: Forecast-to-Fulfill-Teilprozessschritte[1]

Produktions­planung und Produktion

Im Teilprozess Produktionsplanung und Produktion kann zwischen planerischen und operativen Ansätzen unterschieden werden. Eine planerische Managementaufgabe ist die Fokussierung der Produktion auf Kernkompetenzaspekte. Durch eine Reduzierung der Fertigungstiefe und/oder -breite sowie eine damit verbundene Verringerung der gefertigten Artikelanzahl kann der Produktionsprozess deutlich effektiver gestaltet und die Vorratshaltung reduziert werden. Im Zuge dessen kann auch das "Outsourcing" einzelner Vorprodukte oder Teilmontagen sowie das Eingehen von Wertschöpfungspartnerschaften sinnvoll sein. Durchlauf- und Rüstzeiten und damit auch hinterlegte Sicherheits- und Pufferbestände können durch operative Ansätze wie geeignete Produktionsplanungs- und -steuerungsmethoden optimiert werden. Gleiches gilt für die flussorientierte Anordnung der Fertigungsschritte sowie die Optimierung der Produktionsstandorte und -netzwerke. Auch durch Losgrößenoptimierung und Kapazitäts- und Engpasssteuerung könne...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge