Leitsatz

1. Lasten auf einem Grundstück mehrere Wohnungs- oder Teilerbbaurechte, zerfällt die wirtschaftliche Einheit des Erbbaugrundstücks nach der Verkehrsauffassung in eine entsprechende Anzahl wirtschaftlicher Einheiten.

2. Mit jedem Wohnungs- oder Teilerbbaurecht korrespondiert eine wirtschaftliche Einheit in Gestalt des anteiligen Erbbaugrundstücks.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 1, § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 157 Abs. 3 Satz 1, § 176 Abs. 1, § 192 Satz 1, § 193 Abs. 4, § 194 BewG, § 30 Abs. 1 WoEigG, § 179 Abs. 1 AO, § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 11, § 12 Abs. 3 ErbStG

 

Sachverhalt

Mit Vertrag vom 6.11.2014 übertrugen die Eltern des Klägers diesem unentgeltlich ihre Miteigentumsanteile an einem Grundstück. Das Grundstück ist mit drei Wohn‐ und Geschäftshäusern und einer Tiefgarage bebaut. Auf dem Grundstück lastet seit 1973 ein bis zum 31.3.2071 bestehendes Erbbaurecht. Dieses ist in der Weise ausgestaltet, dass mit jedem Anteil am Erbbaurecht das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung (Wohnungserbbaurecht) bzw. an bestimmten nicht Wohnzwecken dienenden Räumen (Teilerbbaurecht) verbunden ist. Die so entstandenen Wohnungs‐ und Teilerbbaurechte waren ab 1974 auf verschiedene Dritte übertragen worden.

Das FA stellte jeweils mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 6.11.2014 für Zwecke der Schenkungsteuer getrennt für die Schenkungen der Mutter und des Vaters den Wert eines anteiligen Miteigentumsanteils fest, der im Umfang einem einzelnen Teilerbbaurecht entsprach.

Die Art der wirtschaftlichen Einheit stellte es mit "Wohnungseigentum als Erbbaugrundstück" fest. Der Wertermittlung "für das Erbbaugrundstück" im Sachwertverfahren legte es einen im Grundstücksmarktbericht 2014 veröffentlichten Liegenschaftszinssatz des örtlichen Gutachterausschusses von 3,0 % für das Jahr 2013 zugrunde.

Mit Einsprüchen gegen diese beiden sowie weitere Bescheide machte der Kläger geltend, er habe nicht einzelne Wohnungserbbaurechte, sondern Miteigentum an einem Grundstück erworben. Daher seien insgesamt nur zwei Feststellungsbescheide – einer für die Schenkung seiner Mutter und einer für die Schenkung seines Vaters – zu erlassen. Zudem begehrte der Kläger die Berücksichtigung eines einheitlich höheren Liegenschaftszinssatzes. Die Einsprüche blieben erfolglos.

Das FG gab der auf Aufhebung der Feststellungsbescheide gerichteten Klage mit der Begründung statt, festzustellen sei der Wert des Erbbaugrundstücks, nicht der Wert der einzelnen Eigentumswohnungen (FG Münster, Urteil vom 30.8.2018, 3 K 653/17 F, Haufe-Index 12407177, EFG 2018, 2007).

 

Entscheidung

Der BFH verwies auf die Revision des FA die Sache an das FG zurück. Der Grundbesitzwert des Erbbaugrundstücks sei nach den in den Praxis-Hinweisen dargelegten Rechtsgrundsätzen wie vom FA gehandhabt in so vielen wirtschaftlichen Einheiten festzustellen, wie Wohnungs‐ oder Teilerbbaurechte bestellt seien. Über den Wert der anteiligen Miteigentumsanteile könne aber nicht abschließend entschieden werden, da die für den Bewertungsstichtag geltenden Liegenschaftszinssätze nicht festgestellt seien.

 

Hinweis

Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit der Bedarfsbewertung von Erbbaugrundstücken, auf denen mehrere Wohnungs- oder Teilerbbaurechte lasten.

1. Gemäß § 179 Abs. 1 AO werden die Besteuerungsgrundlagen durch Feststellungsbescheid gesondert festgestellt, soweit dies in der AO oder sonst in den Steuergesetzen bestimmt ist. Nach § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn die Werte für die Erbschaftsteuer von Bedeutung sind. Gegenstand der Bewertung sind die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens (§ 157 Abs. 3 Satz 1 BewG). Jede wirtschaftliche Einheit ist für sich zu bewerten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BewG).

2. Bei der Bewertung von Grundbesitz für die Erbschaft‐ und Schenkungsteuer wird die wirtschaftliche Einheit vom Gegenstand des Erwerbs vorgegeben. Die Bestimmung des Erwerbsgegenstands erfolgt nach erbschaft‐ und schenkungsteuerrechtlichen Grundsätzen, die an das Zivilrecht anknüpfen. Wurde ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück freigebig zugewendet (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), bildet grundsätzlich der Anteil selbst die wirtschaftliche Einheit.

Der zugewendete Anteil kann aber auch in mehrere wirtschaftliche Einheiten zerfallen.

a) Zum Grundvermögen gehören gemäß § 157 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 176 Abs. 1 BewG neben dem Grund und Boden, den Gebäuden, den sonstigen Bestandteilen und dem Zubehör auch das Erbbaurecht und das Wohnungseigentum, Teileigentum, Wohnungserbbaurecht sowie Teilerbbaurecht nach dem WoEigG, soweit es sich nicht um land‐ und forstwirtschaftliches Vermögen oder Betriebsgrundstücke handelt.

b) Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 BewG nach den Anschauungen des Verkehrs zu entscheiden und bestimmt sich daher vornehmlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Dabei sind die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmun...

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