OFD Nordrhein-Westfalen, 20.4.2015, Kurzinfo Einheitsbewertung Nr. 01/2015

Abschlag nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 BewG bzw. § 88 Abs. 1 BewG

In letzter Zeit gehen in den Finanzämtern vermehrt Anträge auf Fortschreibung der Einheitswerte wegen Beeinträchtigungen durch benachbarte Windkraftanlagen ein.

Vorgetragen werden in der Regel unmittelbare Beeinträchtigungen durch Lärm und/oder (periodischen) Schattenwurf. In Einzelfällen wird auch mit mittelbaren Einwirkungen (z.B. Wertverlust der Grundstücke) argumentiert. Die Bearbeitung dieser Anträge kann nach folgenden Grundsätzen erfolgen:

Bei bebauten Grundstücken kommt im Ertragswertverfahren eine Wertminderung nur in Betracht, soweit die Einwirkungen der Windkraftanlagen bei der Ermittlung der Jahresrohmiete zum 1.1.1964 unberücksichtigt geblieben sind und zu einer ungewöhnlich starken Beeinträchtigung des Grundstücks führen (§ 82 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Dabei ist auf objektive Gesichtspunkte abzustellen. Persönliche Empfindungen der betroffenen Eigentümer sind kein Kriterium für einen Abschlag.

Der BFH hat mit Beschluss vom 22.6.2006, II B 171/05 grundsätzlich bejaht, dass von Windkraftanlagen ausgehende Immissionen eine Ermäßigung des Einheitswertes rechtfertigen können. Allerdings sind immer die Umstände im Einzelfall zu prüfen. Pauschale Abschläge (z.B. in Abhängigkeit von der Entfernung zur Anlage) sind nicht möglich.

Es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass im Zusammenhang mit der baurechtlichen Genehmigung von Windkraftanlagen die immissionsrechtlichen Vorschriften beachtet wurden und damit sichergestellt ist, dass es zu keiner ungewöhnlich starken Beeinträchtigung der benachbarten Grundstücke kommt. Einzelheiten zum immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren regelt der sog. Windenergie-Erlass vom 11.7.2011 (Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr und der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen).

Unter 5.2.1 des Windenergie-Erlasses ist dargestellt, dass im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens sicherzustellen ist, dass die Errichtung oder der Betrieb der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinnes des § 3 Abs. 1 BImSchG verursacht, was sich häufig durch Einhaltung erforderlicher Abstände, ggf. in Verbindung mit Auflagen (Drehzahl-/Leistungsbegrenzung, zeitweise Abschaltung) regulieren lässt.

Beantragt der Steuerpflichtige dennoch eine Wertminderung, trägt er die objektive Beweislast, dass im Einzelfall eine ungewöhnlich starke Beeinträchtigung im Sinne des § 82 Abs. 1 Nr. 1 BewG vorliegt, d.h. er hat die Voraussetzungen für die Wertminderung (z.B. Überschreitung der Grenzwerte der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm)) gutachterlich nachzuweisen. Über die Höhe des Abschlags ist auf Basis des Gutachtens im Einzelfall zu entscheiden.

Beeinträchtigung durch Lärm

Für eine Beurteilung sollte auf die Immissionsrichtwerte für Gewerbelärm zurückgegriffen werden. Nach der TA Lärm vom 26.8.1998 (GMBl Nr. 26/1998 S. 503) gelten folgende Grenzwerte:

  am Tage bei Nacht
    von 22 bis 6 Uhr
in Gebieten, die vorwiegend Wohnzwecken dienen 55 dB (A) 40 dB (A)
in reinen Wohngebieten 50 dB (A) 35 dB (A)

Im Außenbereich sind den Bewohnern von Windenergieanlagen ausgehende Lärmpegel von tagsüber 60 dB (A) und nachts 45 dB (A) zuzumuten (OVG Münster vom 18.11.2002, 7 A 2127/00).

Zu beachten ist dabei, dass in der Regel nur bei deutlichen Überschreitungen (mehr als 10 dB (A)) ein Abschlag zu gewähren ist (vgl. Verfügung der OFD Düsseldorf vom 30.7.1968, S 3204 A – St 211).

Beeinträchtigung durch Schattenwurf

Zu Beeinträchtigungen durch Schattenwurf existieren keine umweltrechtlichen Grenzwerte. Aufgrund der Anforderungen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ist aber in der Regel davon auszugehen, dass keine ungewöhnlich starke Beeinträchtigung vorliegt.

Einzelheiten sind dem Windenergie-Erlass unter 5.2.1.3 und den dort aufgeführten Entscheidungen des OVG NRW zu entnehmen.

Das FG Niedersachsen hat mit Urteil vom 1.8.2005 (1 K 420/01) zudem entschieden, dass ein Schattenwurf über 2 Wochen im Jahr von jeweils 2 Stunden täglich für die Gewährung eines Abschlags nach § 82 BewG nicht ausreicht.

Die o.g. Grundsätze können auch bei Grundstücken, die im Sachwertverfahren zu bewerten sind, im Rahmen des § 88 Abs. 1 BewG angewandt werden.

Besprechung zu dieser Verwaltungsanweisung

 

Normenkette

BewG § 82 Abs. 1 Nr. 1

BewG § 88 Abs. 1

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