Leitsatz (amtlich)

1. Für die Beurteilung, ob Lärmimmissionen, die von einer Windenergieanlage ausgehen, als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen sind, ist die TA Lärm einschlägig; dabei kann letztlich dahinstehen, ob sie als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift zu werten ist.

2. Als rechtlich relevante Parameter der Zumutbarkeitsbewertung von Lärmimmissionen kommen nur objektive Umstände in Betracht; die persönlichen Verhältnisse einzelner Betroffener wie z.B. besondere Empfindlichkeiten oder der Gesundheitszustand spielen hingegen keine Rolle.

3. Bewohnern des Außenbereichs sind von Windenergieanlagen ausgehende Lärmpegel von 60 dB (A) tagsüber bzw. 45 dB (A) nachts zuzumuten.

4. Für die Einhaltung des Nachtwerts kommt es darauf an, dass dieser während des regulären Betriebs auch in der lautesten Nachtstunde nicht überschritten wird; maßgeblich sind insoweit bei pitch-gesteuerten Windenergieanlagen die bei Nennleistungsbetrieb zu erwartenden Immissionen.

5. Vor Erteilung einer Baugenehmigung für eine Windenergieanlage ist prognostisch zu ermitteln, ob der Nachtwert bei Nennleistungsbetrieb an den maßgeblichen Immissionsorten voraussichtlich eingehalten wird.

6. Zu den einzelnen Anforderungen an die Prognose, die wegen der Probleme einer messtechnischen Überwachung von Windenergieanlagen „auf der sicheren Seite” liegen muss.

7. Mit der Baugenehmigung ist der der Prognose zu Grunde gelegte Schallleistungspegel festzuschreiben; die Vorgabe einer Einhaltung der Richtwerte allein genügt nicht.

8. Das Zuschlagsystem der TA Lärm ist dahin zu werten, dass für die Zuschlagpflichtigkeit objektiv lästiger Geräuschkomponenten nicht so sehr ihre exakte Qualifizierung als ton-, impuls- oder informationshaltig maßgeblich ist, sondern die Frage, ob sie in ihrer störenden Auffälligkeit deutlich wahrnehmbar sind.

9. Ein Lästigkeitszuschlag für das „Rotorblattschlagen” einer Windenergieanlage scheidet bei Nennleistungsbetrieb aus.

 

Normenkette

BauGB § 35 Abs. 3 Nr. 3; BImSchG § 3 Abs. 1-2, § 48

 

Verfahrensgang

VG Arnsberg (Aktenzeichen 4 K 1414/99)

 

Tatbestand

Die Kläger wandten sich gegen die Baugenehmigung für die Errichtung einer Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe von 65 m, einen Rotordurchmesser von 40 m sowie einer Nennleistung von 500 kW.

Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten und der beigeladenen Betreiberin der Anlage hob das OVG NRW das Urteil des VG auf und wies die Klage ab.

 

Entscheidungsgründe

Es lässt sich nicht feststellen, dass die angefochtene Baugenehmigung zu Lasten der Kläger gegen nachbarschützende Vorschriften des Baurechts verstößt und sie deshalb in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nachbarliche Abwehrrechte der Kläger kommen nur unter bauplanungsrechtlichen Aspekten in Betracht. Insoweit spricht zwar viel dafür, dass die Baugenehmigung nicht den an sie zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Dies allein führt jedoch nicht zu nachbarlichen Abwehrrechten der Kläger, weil diese bei bestimmungsgemäßer Ausnutzung der Baugenehmigung nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen jedenfalls keine unzumutbaren Beeinträchtigungen durch den Betrieb der Windenergieanlage zu gewärtigen haben.

Insoweit ist vorab klarzustellen, dass von einer nachbarliche Abwehrrechte auslösenden „erdrückenden Wirkung” der Windenergieanlage keine Rede sein kann. (wird ausgeführt)

Bei der bauplanungsrechtlichen Prüfung ist davon auszugehen, dass die hier zu beurteilende Windenergieanlage selbst unstreitig im Außenbereich liegt. Ihre Zulassung würde daher dann zu Lasten der Kläger gegen nachbarschützende Regelungen des Bauplanungsrechts verstoßen, wenn sie mit dem in § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebot

– zur Verankerung des Rücksichtnahmegebots in § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB vgl.: BVerwG, Beschluss vom 28.7.1999 – 4 B 38.99 – BRS 62 Nr. 189 –

unvereinbar wäre. Ein solcher Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot käme in Betracht, wenn die strittige Anlage gegenüber den Klägern im Sinne dieser Vorschrift schädliche Umwelteinwirkungen durch Immissionen hervorrufen würde. Dies lässt sich jedoch nicht feststellen.

Was für Immissionen in Betracht kommen, folgt aus der Legaldefinition dieses Begriffs in § 3 Abs. 2 BImSchG. Hiernach zählen zu den Immissionen, die schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen können, Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen. Von diesen scheiden Immissionen in Form von Luftverunreinigungen, Strahlen und Wärme ersichtlich ohne weiteres aus. Näherer Betrachtung bedürfen hingegen Immissionen in Form von Geräuschen, Erschütterungen und Licht.

Hinsichtlich der im vorliegenden Fall im Vordergrund stehenden Geräuschimmissionen erscheinen die in der angefochtenen Baugenehmigung getroffenen Regelungen allerdings unzulänglich. Ein nachbarliches Abwehrrecht der Kläger scheidet gleichwohl aus, weil zur Überzeugung des Senats feststeht, dass der von der angefochtenen Baugenehmigung zugelassene Betrieb...

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