Leitsatz

Der Wertberichtigung von Forderungen steht nicht entgegen, dass sie nach dem Tag der Bilanzerstellung (teilweise) erfüllt worden sind und der Gläubiger den Schuldner weiterhin beliefert hat.

 

Normenkette

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 und 3, Nr. 2 Satz 3 EStG

 

Sachverhalt

Die auf die Klägerin verschmolzene Rechtsvorgängerin der Klägerin, die V-GmbH (V), hatte im Streitjahr 1995 die V auf Kundenforderungen gegenüber einer in den USA ansässigen A Inc. (A) Einzelwertberichtigungen i.H.v. 329 312,81 DM vorgenommen. Einbezogen hat sie darin Forderungen, die "älter als vier Monate waren", deren Fälligkeit also vor mehr als vier Monaten eingetreten und deren Erfüllung bis zum Tag der Bilanzerstellung weder erfolgt noch "avisiert" und damit ernstlich in Aussicht gestellt worden war. Den Vier-Monats-Zeitraum hat die V wegen Überschreitung des Zahlungsziels von 60 Tagen um 100 % gewählt.

Anlässlich der Übernahme der V hat die Klägerin selbst die zu diesem Zeitpunkt gegenüber der A bestehenden Forderungen im Wert von 871 781,33 DM nach denselben Grundsätzen um 246 934,45 DM wertberichtigt. Im Anschluss daran hat sie die Geschäftsbeziehung zur A beendet. Es ergab sich ein endgültiger Forderungsausfall von ca. 200 000 DM.

Das FA erkannte die von der V in der Bilanz 1995 vorgenommenen Wertberichtigungen nicht an. Die wertberichtigten Forderungen seien von der A nach Bilanzaufstellung erfüllt worden, im Übrigen habe die V mit der A auch weiterhin Geschäfte getätigt. Mit diesen Erwägungen blieb auch die Klage der Klägerin erfolglos.

 

Entscheidung

Mit ihrer Revision hatte die Klägerin hingegen mehr Glück: Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück: Unter Berücksichtigung der in den Praxis-Hinweisen dargelegten Überlegungen sei das FG gehalten, die notwendigen Feststellungen zum objektiven Risiko des Ausfalls der streitigen Forderungen zum maßgeblichen Bewertungsstichtag zu treffen.

 

Hinweis

1. Geldforderungen sind in der Handels- wie in der Steuerbilanz (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG, § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB) grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten anzusetzen. Das entspricht i.d.R. dem Nennwert, es sei denn, infolge drohenden Ausfallrisikos ist auf den niedrigeren Teilwert abzustellen, § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG. Bei Geldforderungen aus Lieferungen und Leistungen ist im Allgemeinen der niedrigere Wert, der ihnen gem. § 253 Abs. 3 Satz 2 HGB am Abschlussstichtag beizulegen ist.

2. Übersteigt das Ausfallrisiko das allgemeine Kreditrisiko, muss eine Einzelwertberichtigung erfolgen. Entweder die Forderung ist mit ihrem wahrscheinlichen Wert anzusetzen, wenn sie nur zweifelhaft ist. Oder aber sie ist auszubuchen, wenn sie uneinbringlich ist.

3. Der unter dem Nennbetrag liegende Wert kann regelmäßig – und unter Einbeziehung aller Einzelfallumstände – nur geschätzt werden. Diese Einzelfallumstände müssen allerdings "verobjektivierbar" sein. Bloße pessimistische, subjektive Einschätzungen genügen nicht. Ein wichtiger Anhaltspunkt für jene "Verobjektivierbarkeit" sind auch die betrieblichen Erfahrungen in der Vergangenheit. Desgleichen sind dies wertaufhellende Umstände.

4. Der BFH stellt vor diesem Hintergrund klar: Die Tatsache, dass die Forderungen anhand objektiver Merkmale am Bilanzstichtag mit einem hohen Ausfallrisiko belastet sind, wird nicht dadurch verdrängt, dass sie später – ganz oder teilweise – denn doch noch erfüllt werden. Gleichermaßen lässt sich aus einer Fortsetzung der inkriminierten Geschäftsbeziehung in der Folgezeit nicht rückschließen, das Ausfallrisiko habe in Wirklichkeit nicht oder jedenfalls nicht in der gebotenen Schärfe bestanden. Gerade bei Auslandsgeschäften dürften – so der BFH – die damit verbundenen Risiken nicht zu gering eingeschätzt werden. Deshalb sei betrieblichen Erwägungen, die als Grund für die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung benannt würden, besonderes Gewicht beizumessen.

Mit anderen Worten: Es kommt auf den argumentativen Aufwand und auf die Tragfähigkeit des Vorgebrachten an, um im Einzelfall die Teilwertabschreibung zu rechtfertigen. Auslandsgeschäfte mit ihren spezifischen Erschwernissen erleichtern es dem Steuerpflichtigen, seine Erwägungen zu bekräftigen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.8.2003, I R 49/02

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