Leitsatz

1. Die Frage nach einer exakten Bestimmung der zulässigen Größenordnung einer Laborarztpraxis und der zulässigen Anzahl der bearbeiteten Aufträge, die Maßstab für die Bejahung der Eigenverantwortlichkeit des Berufsträgers sein könnten, ist durch die Rechtsprechung in dem Sinne geklärt, dass es solche Grenzen nicht gibt.

2. Die widersprüchliche Gesetzeslage, wonach für die Prüfung der Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde einerseits und der Begründetheit eines Zulassungsgrundes andererseits bei vor dem 1. Januar 2001 verkündeten oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellten Urteilen unterschiedliche Fassungen des § 115 Abs. 2 FGO maßgebend sind, führt nicht dazu, in solchen Fällen hinsichtlich der neuen Zulassungsgründe (hier § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO n.F.) auf Darlegungserfordernisse völlig zu verzichten. Insoweit sind jedenfalls Mindestanforderungen an die Darlegung zu stellen, auch wenn diese sich nicht unmittelbar auf die neuen Zulassungsgründe beziehen können.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3FGO a.F. und n.F. § 115 Abs. 2 Nr. 1 undFGO a.F. und n.F. § 115 Abs. 2 Nr. 22.FGOÄndG Art. 4 und2.FGOÄndG Art. 6

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 29.04.2002, IV B 29/01

Vorinstanz: FG des Saarlandes vom 6. Dezember 2000 2 K 229/99

Anmerkung

Die selbständig ausgeübte Tätigkeit eines Arztes ist im allgemeinen als freiberuflich zu werten (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Dies gilt auch dann, wenn sich der Arzt bei Ausübung seines Berufs der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; in einem solchen Fall muss der Arzt allerdings aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werden (§ 18 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG). Eigenverantwortlich ist die Tätigkeit des Arztes dann, wenn er über seine leitende Tätigkeit hinaus persönlich an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang teilnimmt. Für den Laborarzt hat die Rechtsprechung daraus gefolgert, dass er, um eigenverantwortlich tätig zu sein, jeden eingegangenen Untersuchungsauftrag nach Inhalt und Fragestellung zur Kenntnis nehmen, die Bearbeitung durch die zuständigen Abteilungen sowie die Auswahl und Anwendung der Untersuchungsmethode kontrollieren und die Plausibilität des Ergebnisses (Befunderhebung und Befundauswertung) nachprüfen muss (BFH, Urteil v. 1. 2.1990 IV R 140/88, BStBl II 1990, 507). - Im Streitfall wollte ein Laborarzt, der im Hinblick auf die Größe seiner Praxis und die Zahl der bearbeiteten Aufträge vom FA als Gewerbetreibender eingestuft worden war, im Rahmen eines NZB-Verfahrens die genaue Grenze zwischen einer (noch) freiberuflichen und (schon) gewerblichen Tätigkeit gezogen sehen. Er hielt es für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, wie der Maßstab für die Bejahung der Eigenverantwortlichkeit eines Laborarztes anhand der Größenordnung einer Laborpraxis und der Anzahl der bearbeiteten Aufträge generell zu bestimmen ist. Der BFH hat die NZB zurückgewiesen. Zur Begründung verweist er u.a. auf sein Urteil v. 19.10.1995 IV R 45/94 (BFH/NV 1996, 463), in dem ausgeführt ist, dass es nicht möglich sei, eine allgemeine Grenze für die Freiberuflichkeit in Form eines bezifferten Verhältnisses der Mitarbeiterzahl einerseits und der Zahl der Aufträge oder Untersuchungen andererseits festzulegen. - Der Kläger hatte sich ferner unter Hinweis auf die Rechtsprechung der Arbeits- und Sozialgerichte auf den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung berufen und damit möglicherweise den neuen Zulassungsgrund "Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung" (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) geltend gemacht. Diesen Teil der NZB hält der BFH mangels hinreichender Darlegungen für unzulässig. Er ist der Auffassung, dass auch hinsichtlich der neuen Zulassungsgründe auf Mindestanforderungen an die Darlegungen nicht völlig verzichtet werden könne.

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