Leitsatz

1. Zur Prüfung der ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts haben Verfahrensbeteiligte Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen über die Wahl und Heranziehung der ehrenamtlichen Richter. Dieser Anspruch ist gegenüber dem Präsidenten des FG geltend zu machen.

2. Bei der Verteilung der ehrenamtlichen Richter auf die Senate des FG kann auf deren bisherige Erfahrung zurückgegriffen werden mit der Folge, dass sie bei Wiederwahl auch ihren bisherigen Senaten zugewiesen werden können.

3. Erklärt sich ein ehrenamtlicher Richter unter Angabe eines Grunds für verhindert, so braucht das FG den Hinderungsgrund grundsätzlich nicht nachzuprüfen. Die Vorschriften über den gesetzlichen Richter sind dagegen nicht gewahrt, wenn ein geschäftsplanmäßig berufener ehrenamtlicher Richter ohne Angabe eines konkreten Hinderungsgrunds nicht an einer Sitzung teilnimmt und sich die Vermutung aufdrängt, dass er den mit dem Richteramt verbundenen Pflichten im Vergleich zu anderen Verpflichtungen nicht die erforderliche Bedeutung beimisst.

4. Nimmt ein ehrenamtlicher Richter ohne hinreichenden Hinderungsgrund einen Sitzungstermin nicht wahr, so führt die hieraus folgende "Verschiebung" der an den nachfolgenden Sitzungen teilnehmenden ehrenamtlichen Richter nicht zu einer fehlerhaften Besetzung der Richterbank in diesen Verfahren.

 

Normenkette

§ 27 FGO , § 119 Nr. 1 FGO , Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG

 

Sachverhalt

In einem Rechtsstreit über den Gewinn eines Landwirts aus der Veräußerung eines Grundstücks mit Kiesvorkommen wies das FG die Klage nach zwei mündlichen Verhandlungen durch Urteil ab. Mit der nicht zugelassenen Revision rügte der Kläger eine fehlerhafte Besetzung des Gerichts im Hinblick auf die mitwirkenden ehrenamtlichen Richter. Im Einzelnen beanstandete er,

  • die Wahl der ehrenamtlichen Richter sei als fehlerhaft zu behandeln, weil der zuständige Sachbearbeiter des FG die Einsicht in die Wahlunterlagen verweigert habe;

    die Verteilung der ehrenamtlichen Richter auf die Senate sei rechtswidrig erfolgt, weil wiedergewählte Richter den bisherigen Senaten zugewiesen und nur neu gewählte Richter nach dem Alphabet verteilt worden seien;

    in der ersten mündlichen Verhandlung habe ein ehrenamtlicher Richter sich zu Unrecht für verhindert erklärt. Wegen des Nachrückens des nächsten Richters habe an der zweiten mündlichen Verhandlung ein nicht zur Mitwirkung berufener Richter teilgenommen.

 

Entscheidung

Der BFH verwarf die Revision durch Beschluss als unzulässig. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters werde nicht schlüssig gerügt. Auf eine fehlerhafte Wahl könne sich der Kläger nicht berufen, weil er seine Ermittlungspflicht diesbezüglich nicht erfüllt habe. Er hätte den Präsidenten des Gerichts zur Vorlage der Wahlunterlagen auffordern müssen. Die Zuweisung der wiedergewählten Richter an die bisherigen Senate sei nicht zu beanstanden. Die Verschiebung in der Reihenfolge der mitwirkenden ehrenamtlichen Richter, die dadurch eintrete, dass bei einer früheren Verhandlung sich ein Richter unzulässig auf eine Verhinderung berufen habe, bedeute für die folgenden mündlichen Verhandlungen nicht einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter.

 

Hinweis

1. Beachten Sie, dass der Besprechungsbeschluss noch zu der bis Ende 2000 geltenden alten Rechtslage ergangen ist. Neuerdings kann die fehlerhafte Besetzung des Gerichts i.S.d. § 119 Nr. 1 FGO nur noch im Rahmen einer vom FG zugelassenen Revision oder mit einer Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden. Hat eine solche Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg, wird der BFH bereits im Beschwerdeverfahren das FG-Urteil aufheben und die Sache an das FG zurückverweisen.

2. Ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter kann auch im Zusammenhang mit der Mitwirkung ehrenamtlicher Richter in der mündlichen Verhandlung vorliegen. Sind schwerwiegende Fehler bei der Wahl eines ehrenamtlichen Richters, bei seiner Zuweisung an den jeweiligen Senat oder bei seiner Ladung zu der konkreten mündlichen Verhandlung unterlaufen, kann darin im Einzelfall ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter zu sehen sein. Das trifft insbesondere dann zu, wenn der Fehler eine Manipulation bei der Besetzung der Richterbank befürchten lässt. Für Sie als Prozessvertreter ist wichtig, dass der BFH im Besprechungsurteil ausdrücklich fordert, dass alle diesbezüglichen Tatsachen von Ihnen ermittelt und vorgetragen werden müssen. Bei Ihren Ermittlungen müssen Sie von der Gerichtsverwaltung und, falls diese sich weigert, vom Präsidenten des FG Einsicht in die betreffenden Unterlagen verlangen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 20.4.2001, IV R 32/00

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