Leitsatz

Bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts endet die Unternehmereigenschaft nach deutschem Umsatzsteuerrecht, sobald die Voraussetzungen eines Betriebs gewerblicher Art entfallen. Ist sie danach nur noch im Rahmen einer Vermögensverwaltung tätig, kann sie gleichwohl nach der 6. EG-Richtlinie als Steuerpflichtige anzusehen sein und einen Vorsteuerabzug auf Grund eines Anwendungsvorrangs der Richtlinie geltend machen.

 

Sachverhalt

Eine Gemeinde war im Rahmen ihres Eigenbetriebs "Kleinbahn" Unternehmerin. Nachdem sie diesen Eigenbetrieb einstellte, haben zwei Industriebetriebe den Gleisanschluss an den Bahnhof Z benutzen dürfen. Sie entrichteten auf Grund mündlicher Vereinbarung an die Gemeinde eine bei weitem nicht kostendeckende "Anschlussgebühr". Die Gemeinde gab eine Umsatzsteuer-Erklärung ab, in der sie als Art des Unternehmens die Kleinbahnverwaltung angab. Darin erklärte sie steuerpflichtige Umsätze. Sie machte außerdem Vorsteuern geltend, die aus Erhaltungsaufwendungen für die Gleisanlagen resultieren. Das Finanzamt hat die Unternehmereigenschaft der Gemeinde abgelehnt, weil ein Betrieb gewerblicher Art nicht vorliege.

 

Entscheidung

Nach Maßgabe des nationalen Umsatzsteuerrechts ist die Gemeinde nicht als Unternehmerin anzusehen. Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG sind juristische Personen des öffentlichen Rechts nur dann als Unternehmer anzusehen, wenn sie entweder einen Betrieb gewerblicher Art, einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb oder eine der in § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG im Einzelnen aufgeführten Tätigkeiten ausüben. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die Tatsache, dass die Gemeinde ursprünglich jedenfalls solange einen Betrieb gewerblicher Art unterhielt, solange sie selbst noch Gütertransporte durchführte, führt ebenfalls nicht dazu, dass sie nach deutschem Umsatzsteuerrecht im Streitjahr noch zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen wäre. Obwohl die Gemeinde die diesem Betrieb gewidmeten und bei ihr verbliebenen Wirtschaftsgüter weiterhin in der Rechtsform eines Eigenbetriebs verwaltete, der von ihrem hoheitlichen Bereich getrennt war, entfiel nach nationalem Recht ihre Unternehmereigenschaft mit dem Wegfall der Voraussetzungen eines Betriebs gewerblicher Art.

Die Gemeinde ist allerdings auf Grund unmittelbarer Anwendung der 6. EG-Richtlinie zum Vorsteuerabzug befugt. Denn gem. Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie gilt die Gemeinde grundsätzlich als Steuerpflichtige, da sie selbständig die wirtschaftliche Tätigkeit einer Dienstleistenden ausübt. Im Rahmen ihres Eigenbetriebs "Kleinbahn" erbringt die Gemeinde Verpachtungsleistungen und andere Dienstleistungen (Zurverfügungstellung von Kapital) i.S. des Art. 6 der 6. EG-Richtlinie. Da die Gemeinde nach der 6. EG-Richtlinie als Unternehmerin anzusehen ist, kann sie sich zu ihren Gunsten auf den Anwendungsvorrang der Richtlinie berufen und deshalb den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen.

 

Hinweis

Das Finanzamt hat gegen das vorstehende Urteil Revision eingelegt (Az. beim BFH: V R 19/04). Es bleibt abzuwarten, ob sich auch der BFH bei der Beantwortung der Frage nach der Unternehmereigenschaft von Betätigungen der öffentlichen Hand von der Anknüpfung an das KStG und den Begriff des Betriebs gewerblicher Art lösen wird. In Vergleichsfällen wird empfohlen, unter Berufung auf das vorstehende Urteil den Vorsteuerabzug auch in Fällen geltend zu machen, in denen nach nationalem Recht keine Unternehmereigenschaft zu bejahen ist, aber nach der 6. EG-Richtlinie eine wirtschaftliche Tätigkeit einer Dienstleistenden vorliegt.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Urteil vom 19.02.2004, 5 K 99/00

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