rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug einer juristischen Person des öffentlichen Rechts trotz nach nationalem Recht fehlender Unternehmereigenschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts nach der 6. EG-Richtlinie als Unternehmerin anzusehen, kann sie sich zu ihren Gunsten auf den Anwendungsvorrang der Richtlinie berufen und deshalb den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen, auch wenn ihr Eigenbetrieb nach nationalem Recht nicht als Betrieb gewerblicher Art zu qualifizieren ist.

 

Normenkette

UStG § 2 Abs. 3; KStG § 4 Abs. 1, 4; EWGRL 388/77 Art. 4

 

Streitjahr(e)

1995

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.10.2004; Aktenzeichen V R 19/04)

BFH (Urteil vom 28.10.2004; Aktenzeichen V R 19/04)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Stadt X im Rahmen ihres Eigenbetriebs „Kleinbahn X” Unternehmerin ist.

Im Jahr 1903 wurde der Gemeinde X die Genehmigung zum Bau und Betrieb einer Eisenbahn erteilt (Streckenlänge 8 Kilometer). Gleichzeitig wurde die Gemeinde dazu verpflichtet, einen Personen- und Güterverkehr auf dieser Strecke zu betreiben. 1954 entband der Niedersächsische Minister für Wirtschaft und Verkehr die Gemeinde X auf deren Antrag von der Verpflichtung, den Personenverkehr auf der Schiene zu betreiben. Stattdessen wurde die Gemeinde verpflichtet, einen Schienenersatzverkehr mit Omnibussen sicherzustellen.

1959 schloss die Kleinbahn X, mit der Firma Y einen Vertrag, der zunächst erwähnt, dass die Kleinbahn X als Ersatz für den von ihr bisher ausgeführten Personenverkehr auf der Schiene die Konzession zur Errichtung einer Kraftomnibuslinie auf der Strecke X als Schienenersatzverkehr erhalten habe. Durch den o.g. Vertrag wurde die Bedienung dieser Kraftomnibuslinie dem Unternehmer Y übertragen. Konzessionsinhaberin blieb die Kleinbahn (§ 1 des Vertrags). Die Firma Y verpflichtete sich, als Entgelt für die Überlassung des Betriebs eine jährliche Pacht in Höhe von 960 DM zu zahlen, die in monatlichen Teilbeträgen von je 80 DM fällig war (§ 9 des Vertrags). Dieser Vertrag trat an die Stelle eines bereits zuvor im Jahr 1954 geschlossenen Vertrags und war zunächst für die Dauer von zwei Jahren abgeschlossen (§ 11 des Vertrags). Er wurde später wiederholt verlängert, zuletzt durch Nachtrag Nr. 12 vom Mai 1994. Demnach betrug die monatliche Pacht „235 DM zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer”, wobei sich die Pacht bei eventuellen Fahrpreiserhöhungen um den gleichen Prozentsatz wie die Fahrpreise erhöhen sollte. (§ 2 des Nachtrags).

1977 erteilte das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft und Verkehr der Gemeinde X die Genehmigung, auch den Öffentlichen Güterverkehr auf der Strecke X einzustellen. Zugleich verfügte der Minister: „Das Streckengleis wird künftig als Anschluss-Stammgleis für den Güterverkehr zu den Anschließern zur Verfügung stehen.”

Mit Vertrag vom 1. August 1977 wurde vereinbart, dass die Bundesbahn den Betrieb auf dem Streckengleis der ehemaligen Kleinbahn X mit allen dazugehörigen bau- und signaltechnischen Anlagen als DB-Stammgleis weiter betreibt (§ 1 des Vertrags). Hierzu überließ die Gemeinde der Bundesbahn kostenlos das Streckengleis mit den dazugehörigen Oberbau- und Signalanlagen (§§ 2 und 3 des Vertrags). Die Bundesbahn war befugt, von den Anschließern neben der Anschlussgebühr pro beladenem Wagon eine besondere Vergütung (Stammgleisvergütung) zur Abgeltung von Investitions- und Betriebsführungskosten zu erheben (§ 5 Abs. 1 des Vertrags). Die Gemeinde war dagegen nicht befugt, ein Nutzungsentgelt zu erheben (§ 5 Abs. 2 des Vertrags).

Dieser Vertrag wurde von der Deutschen Bundesbahn zum 30.09.1990 gekündigt. Im Dezember 1992 schlossen die Klägerin und die Deutsche Bundesbahn einen neuen Vertrag, der rückwirkend vom 01.10.1990 an gelten sollte und durch den der bisherige Vertrag vom 01.08.1977 aufgehoben wurde. Durch den Vertrag vom 10.12.1992 vereinbarten die Klägerin als „Anschließer” und die Bundesbahn, eine Gleisanlage (Industriestammgleis) an den Bahnhof Z anzuschließen. Dabei behandelten die Vertragspartner die Klägerin als Inhaberin eines Privatgleisanschlusses und vereinbarten die grundsätzliche Geltung der „Allgemeinen Bedingungen für Privatgleisanschlüsse” der Deutschen Bundesbahn. Die Klägerin und die Bundesbahn stimmten der „Mitbenutzung” des Anschlusses durch die an das Industriestammgleis angeschlossenen Firmen zu (§ 4 des Vertrags). Auf dem Gleisanschluss werden seither mit Fahrzeugen der Deutschen Bundesbahn Güter im Übergang zur Deutschen Bundesbahn befördert. Genutzt wird dieser Gleisanschluss durch ein Landhandelsunternehmen und eine Genossenschaft, deren Betriebsgelände in X neben dem früheren Bahnhof liegt und dort unmittelbar an die Gleise angrenzt.

Für das Streitjahr (1995) gab die Klägerin eine Umsatzsteuererklärung ab, in der sie als Art des Unternehmens angab „Kleinbahnverwaltung”. Darin erklärte sie steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz in Höhe von 6.083 DM und steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug in Höhe von 14.918 ...

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