Leitsatz

1. Im Rahmen der Abwicklung des insolventen Unternehmens anfallende Kosten zur Prüfung der Frage, ob ein Anspruch nach § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB besteht, gehören grundsätzlich zu den Allgemeinkosten der früheren unternehmerischen Tätigkeit.

2. Das Recht auf Vorsteuerabzug steht der Insolvenzmasse (nur) dann zu, wenn der Insolvenzverwalter die Masse wirksam verpflichtet hat.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 2 UStG, § 43 UStDV, § 64, § 93 InsO, § 4 InsVV, § 171, § 172 Abs. 3 Sätze 1 und 2 HGB

 

Sachverhalt

Im Laufe des Insolvenzverfahrens ließ der Insolvenzverwalter A durch Rechtsanwälte prüfen, ob Zahlungen an die Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin zurückzufordern seien, soweit hierdurch bereits geleistete Einlagen ausgeschüttet worden seien (Anspruch nach § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB). Die hieraus resultierende persönliche Haftung der Kommanditisten machte A gerichtlich gegen die Kommanditisten geltend.

In Rechnungen der Rechtsanwälte an A wurde für die Beratungsleistungen Umsatzsteuer offen ausgewiesen, die A in den Umsatzsteuervoranmeldungen der Insolvenzmasse als Vorsteuer abzog.

Das FA versagte den Vorsteuerabzug, da die Eingangsleistungen den persönlichen Interessen der Gesellschafter und nicht der Kapitalbeschaffung für eine weitere unternehmerische Tätigkeit gedient hätten.

Das FG (FG Köln, Urteil vom 15.3.2017, 9 K 2995/15, Haufe-Index 11248160, EFG 2017, 1547) wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies den Rechtsstreit an das FG zurück. Soweit die Masse die Beratungsleistungen bezogen habe, sei die Vorsteuer abziehbar. Dazu, ob die Masse oder A persönlich Empfänger der Beratungsleistungen war, hat das FG weitere Feststellungen zu treffen.

 

Hinweis

1. Wenn ein Unternehmer nach Leistungsbezug nicht mehr tätig wird, sind die Kosten für eine nach der Einstellung bezogene Leistung als Bestandteil der (früheren) gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit anzusehen; dem Unternehmer ist das Recht auf Vorsteuerabzug insoweit zuzuerkennen (vgl. EuGH, Urteil vom 3.3.2005, C‐32/03, Fini H, Haufe-Index 1330949, UR 2005, 443, Rz. 23 f.). Ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit einem bestimmten Ausgangsumsatz besteht nicht (EuGH, Urteil vom 8.6.2000, C‐98/98, Midland Bank, Haufe-Index 510682, UR 2000, 342, Rz. 30 f.). Im Insolvenzverfahren eines Unternehmers, der seinen Geschäftsbetrieb bereits eingestellt hat, kommt es daher für die Frage, ob Vorsteuer abziehbar ist, auf seine frühere wirtschaftliche Gesamttätigkeit an (BFH, Urteil vom 2.12.2015, V R 15/15, BFH/NV 2016, 876, BStBl II 2016, 486).

2. Dem Unternehmer steht der Vorsteuerabzug aus seiner Gesamttätigkeit auch dann zu, wenn er Leistungen für die Aufnahme neuer Gesellschafter gegen Bareinlage bezieht (vgl. BFH, Urteil vom 1.7.2004, V R 32/00, BFH/NV 2004, 1355, BStBl II 2004, 1022, Schlussurteil KapHag) oder es später um Haftungsfragen in diesem Zusammenhang geht (vgl. allgemein EuGH-Urteil Midland Bank, a.a.O.; Rz. 28).

3. Der Vorsteuerabzug setzt außerdem nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG weiter voraus, dass der Unternehmer die Leistung für sein Unternehmen bezogen hat. Er muss aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis berechtigt und verpflichtet sein (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 31.5.2017, XI R 40/14, BFH/NV 2017, 1396, Rz. 31). Eine bloße Kostentragung genügt nicht (vgl. BFH, Beschluss vom 30.4.2014, XI R 33/11, BFH/NV 2014, 1239, Rz. 20 f.). Deshalb ist, sofern nicht ohnehin ggf. eine Situation i.S.d. § 3 Abs. 11 UStG vorliegt, bei Vertragsschlüssen durch einen Insolvenzverwalter genau zu prüfen, ob er den Vertrag in eigenem Namen oder im Namen "der Masse" geschlossen hat.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.9.2019 – XI R 19/17

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