Leitsatz

Hat der Gemeinschuldner seine unternehmerische Tätigkeit bereits vor der Eröffnung des Konkursverfahrens eingestellt, ist über den Vorsteuerabzug aus der Leistung des Konkursverwalters nach der früheren unternehmerischen Tätigkeit des Gemeinschuldners zu entscheiden. Fehlt es an einer auf den Unternehmenserhalt gerichteten Unternehmensfortführung, ist es unerheblich, wenn es im Konkursverfahren auf dem Weg zur Liquidation zu vorübergehenden Vermietungen kommt.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, § 3 Abs. 1, § 117 Abs. 1, § 129 Abs. 2, § 132 Abs. 1 KO, § 1 InsO

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der K-KG, die unter anderem im Hoch- und Tiefbau sowie in der Immobilienverwaltung tätig war. Nachdem die K-KG im Juli 1997 einen Antrag auf Eröffnung eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Konkurses gestellt hatte, wurde im März 1998 das Vergleichsverfahren eröffnet und der Kläger zum Vergleichsverwalter bestellt. Bereits bei Stellung des Vergleichsantrags beschäftigte die K-KG keine Mitarbeiter mehr. Da der bestätigte Vergleich im Rahmen der Fortsetzung des Vergleichsverfahrens nicht erfüllt werden konnte, stellte das Vergleichsgericht im April 2001 das Vergleichsverfahren ein, eröffnete das Anschlusskonkursverfahren und bestellte den Kläger zum Konkursverwalter. Bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens erbrachte die K-KG ausschließlich umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze. Im Schlussbericht vom XX.XX.2013 erläuterte der Kläger die Verwaltung und Verwertung der Konkursmasse der K-KG und die dabei erfolgten Vermietungen. Am XX.7.2014 stellte der Kläger seine Leistungen im Konkursverfahren in Rechnung und wies darin USt aus. Mit der USt-Jahreserklärung für 2014 (Streitjahr) machte er als Konkursverwalter der K-KG allein den Vorsteuerabzug aus dieser Rechnung mit einem Überschuss zu seinen Gunsten geltend.

Das FA ging davon aus, dass der Vorsteuerabzug nur anteilig zu gewähren sei, da die Leistung des Klägers nach Eröffnung des Konkursverfahrens teilweise für steuerfreie Ausgangsumsätze der K-KG, wie etwa Vermietungen, verwendet worden sei. Der hiergegen gerichteten Klage gab das FG (FG Münster, Urteil vom 20.1.2022, 5 K 1363/19 U, Haufe-Index 15094056) statt.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.

 

Hinweis

1. Der Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Konkurs- oder Insolvenzverwalters wird häufig dann zum Streitthema, wenn der Verwalter im eröffneten Verfahren steuerfreie Verwertungsumsätze im Immobilienbereich ausführt. Die Finanzverwaltung geht dann bisweilen von einer nur anteiligen Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus.

2. Der BFH hatte hierzu bereits entschieden, dass der Insolvenzverwalters eine einheitliche Leistung erbringt, die sich auf die Gesamtheit der im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger bezieht, sodass der für den Vorsteuerabzug maßgebliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zu der Gesamtheit dieser Insolvenzforderungen besteht und eine Berücksichtigung einzelner Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters zur Beurteilung des Vorsteuerabzugs aus der Leistung des Insolvenzverwalters nicht in Betracht kommt (BFH, Urteil vom 15.4.2015, V R 44/14, BFH/NV 2015, 1066, BStBl II 2015, 679, Rz. 17).

Der BFH hatte dabei zudem darauf hingewiesen, dass damit noch nicht über Fallgestaltungen entschieden ist, bei denen der Insolvenzverwalter das Unternehmen fortführt (BFH, Urteil vom 2.12.2015, V R 15/15, BFH/NV 2016, 876, BStBl II 2016, 486, Rz. 18).

3. Diese von der Finanzverwaltung akzeptierte Rechtsprechung wurde im Besprechungsfall dahingehend hinterfragt, ob nicht auch die Unternehmensabwicklung als Fall einer Unternehmensfortführung anzusehen ist, sodass es hier dann für die Beurteilung des Vorsteuerabzugs doch auf Verwertungsumsätze ankäme.

4. Dem erteilt der BFH vorliegend eine Absage und präzisiert seine bisherige Rechtsprechung dahingehend, dass zwischen einer Fortführung der bisherigen Unternehmenstätigkeit im Sinne eines Unternehmenserhalts i. S. v. § 1 Satz 1, §§ 217 ff. InsO und einer lediglich im Hinblick auf Abwicklungstätigkeiten fortbestehende Unternehmenstätigkeit zu unterscheiden ist. Alles andere wäre einer faktischen Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung gleichgekommen.

Verwertungsumsätze eines bei Verfahrenseröffnung bereits eingestellten Unternehmens, das nur noch zur Abwicklung fortbesteht, beeinflussen den Vorsteuerabzug aus der Verwalterrechnung somit weiterhin nicht.

5. Zu beachten ist, dass der BFH diese Rechtsfrage vorliegend zum Konkursverfahren entschieden hat. Eine Beurteilung zum Insolvenzverfahren steht damit aus. Letzteres dürfte voraussichtlich in den Revisionsverfahren XI R 8/22 und XI R 20/22 zu klären sein.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 23.11.2023 – V R 3/22

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