3.1 Bewertungsvereinfachungsverfahren und Stetigkeitsgebot
Nach dem Einzelbewertungsgrundsatz sind die Anschaffungskosten für jeden fremdbezogenen Vermögensgegenstand gesondert zu ermitteln. Dieses Grundprinzip wird durch mehrere vereinfachte Bewertungsverfahren durchbrochen. Neben der bereits angesprochenen Pauschalierung von Anschaffungsnebenkosten und Anschaffungspreisminderungen gehören dazu die in § 256 Satz 1 HGB geregelten
- Verbrauchsfolgeverfahren,
- die Festbewertung[1] und
- die Gruppenbewertung.[2]
Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung anerkannt sind darüber hinaus die Durchschnittsmethode und die retrograde Anschaffungskostenermittlung.[3] Unabhängig vom gewählten Verfahren ist zu jedem Bilanzstichtag das Niederstwertprinzip zu beachten.
Die Wahl des Verfahrens zur Ermittlung der Anschaffungskosten unterliegt dem Stetigkeitsgebot des § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB.[4] Es verlangt die Beibehaltung einer einmal gewählten Bewertungsmethode im Zeitablauf. Im Hinblick auf die Ermittlung der Anschaffungskosten kommt diesem Teilaspekt des Stetigkeitsgebots indes nur untergeordnete Bedeutung zu, da es sich um einen einmaligen Bewertungsvorgang handelt. Wichtiger ist insoweit der von § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB ebenfalls eingeschlossene Grundsatz der Einheitlichkeit der Bewertung. Er besagt: Eine einmal gewählte Bewertungsmethode (z. B. ein bestimmtes Verbrauchsfolgeverfahren) ist bei Vorliegen gleicher wertbestimmender Bedingungen objektübergreifend auf alle gleichen oder gleichartigen Vermögensgegenstände anzuwenden. Abweichungen lässt § 252 Abs. 2 HGB nur in begründeten Ausnahmefällen zu.[5],[6]
Verfahren | Retrograde Ermittlung | Durchschnittsmethode | Gruppenbewertung | Festbewertung | Verbrauchsfolgeverfahren |
---|---|---|---|---|---|
Rechtsgrundlage Handelsbilanz | Ungeschriebene GoB | Ungeschriebene GoB | § 256 Satz 2 HGB i. V. m. § 240 Abs. 4 HGB | § 256 Satz 2 HGB i. V. m. § 240 Abs. 3 HGB | § 256 Satz 1 HGB |
Rechtsgrundlage Steuerbilanz | Ungeschriebene GoB i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG | Ungeschriebene GoB i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG | § 240 Abs. 4 HGB; § 256 Satz 2 HGB i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG | § 240 Abs. 3 HGB; § 256 Satz 2 HGB i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG | § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG (nur Lifo-Methode) |
Verwaltungsanweisung | H 6.8 EStH | R 6.8 Abs. 3 Satz 3 EStR | R 6.8 Abs. 4 EStR | H 6.8 EStH | R 6.9 EStR |
Anwendungsbereich | Handelswaren | Vertretbare Vermögensgegenstände | Gleichartige Vorratsgüter | Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe unter bestimmten Voraussetzungen | Gleichartige Vorratsgüter |
Grundidee | Abzug der kalkulierten Gewinnspanne von den ausgezeichneten Preisen | Bewertung mit dem gewogenen Mittel aus Anfangsbestand und Z-gängen des Jahres | Anwendung der Durchschnittsmethode auf gleichartige Vorratsgüter | Ansatz mit im Zeitablauf gleich bleibender Menge und gleich bleibendem Wert | Anschaffungskostenermittlung auf Basis einer unterstellten Verbrauchsfolge |
Varianten | – | Einfache/gleitende Durchschnittsmethode | Einfache/gleitende Durchschnittsbewertung | – | Permanentes Verfahren/ Periodenverfahren, mit/ohne Layerbildung, Index-verfahren |
Tab. 2: Methoden der vereinfachten Anschaffungskostenermittlung im Vorratsvermögen
3.2 Retrograde Methode
Die retrograde Methode ermittelt die Anschaffungskosten von zur Veräußerung bestimmten Vorratsgütern – ggf. unterteilt nach Warengruppen – durch Abzug des jeweiligen Rohgewinnaufschlags (Bruttospanne) vom kalkulierten Bruttoverkaufspreis. Sie ist auch steuerlich anerkannt.[1]
Progressive Preiskalkulation | Retrograde Anschaffungskostenermittlung | ||||
---|---|---|---|---|---|
Schema | Beispiel | Schema | Beispiel | ||
Bruttowarenpreis | 98 | Bruttoverkaufspreis | 140 | ||
– | Preisnachlässe | – 3 | – | Rohgewinnaufschlag (40 %) | –40 |
= | Nettowarenpreis | 95 | = | Anschaffungskosten | 100 |
+ | Bezugseinzelkosten | 5 | |||
= | Anschaffungskosten | 100 | |||
+ | Rohgewinnaufschlag (40 %) | 40 | |||
= | Bruttoverkaufspreis | 140 |
Tab. 3: Retrograde Anschaffungskostenermittlung als Umkehrung der progressiven Preiskalkulation
Erfolgt der Rohgewinnaufschlag auf den Bruttowarenpreis, sind bei der retrograden Anschaffungskostenermittlung die durchschnittlich erhaltenen Anschaffungspreisminderungen (Skonti, Mengenrabatte oder Boni) gesondert abzuziehen. Einzeln zurechenbare Bezugskosten erhöhen in diesem Fall die Anschaffungskosten.
Vom Grundprinzip entspricht die retrograde Methode der verlustfreien Bewertung. Anders als diese berücksichtigt sie jedoch nicht den im Einzelfall angemessenen (üblichen) Rohgewinnaufschlag, sondern den vom Kaufmann tatsächlich kalkulierten Aufschlag für bestimmte Gemeinkosten und den Reingewinn. Dem entspricht es, bei herabgesetzten Preisen zur Ermittlung der Anschaffungskosten nicht die ursprünglich kalkulierte, sondern nur die verbliebene Handelsspann...
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