Zusammenfassung

 
Überblick

Von Dritten erworbene Vorräte sind beim Zugang mit ihren Anschaffungskosten anzusetzen. Das sind die beim Erwerb eines Vorratsguts und dessen Versetzen in seinen betriebsbereiten Zustand anfallenden, dem Vermögensgegenstand einzeln zuordenbaren Aufwendungen. Sie umfassen den Anschaffungspreis erhöht um anfallende Anschaffungsnebenkosten und nachträgliche Anschaffungskosten abzüglich Anschaffungspreisminderungen. Aufgrund der Vielzahl der zu bewertenden Vermögensgegenstände scheidet eine individuelle Zugangsbewertung der Vorräte in der Mehrzahl der Fälle aus. An ihre Stelle treten vereinfachte Bewertungsverfahren (retrograde, Durchschnitts-, Gruppen- oder Festbewertung sowie Verbrauchsfolgeverfahren).

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Für Vorratsvermögen gilt handelsrechtlich das in §§ 253 – 256a HGB normierte Bewertungsprogramm. Steuerrechtlich sind vorrangig die Bewertungsvorschriften des § 6 EStG maßgeblich. Zur Lückenfüllung kommen über den Maßgeblichkeitsgrundsatz in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG die handelsrechtlichen GoB zum Tragen. Kapitalgesellschaften und ihnen gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften i. S. d. § 264a HGB sind zu Anhangangaben gemäß §§ 284, 285 HGB verpflichtet.

Für die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften kommt den Entscheidungen der Zivil- und Finanzgerichte besondere Bedeutung zu, allen voran jenen des BFH (vgl. z. B. BFH, Urteil v. 16.3.2004, IX R 46/03).

Wertvolle Hinweise zur Bilanzierung enthalten zudem die Verlautbarungen des Hauptfachausschusses des IDW zur Rechnungslegung. Sie legen die Berufsauffassung der Wirtschaftsprüfer zu Rechnungslegungsfragen dar. Abweichungen von den Rechnungslegungsstandards sind vom Abschlussprüfer (im Prüfungsbericht) anzugeben und zu begründen. Für die Bewertung zu Anschaffungskosten ist insbesondere auf IDW RS HFA 38 zur (Ansatz- und) Bewertungsstetigkeit zu verweisen.

Faktische Bedeutung kommt schließlich den Verwaltungsvorschriften, wie den BMF-Schreiben (z. B. BMF, Schreiben v. 12.5.2015, IV C 6 – S 2174/07/10001 :002), den ESt-Richtlinien (z. B. R 5.4, 6.3, 6.8, 6.9 EStR) und den sie ergänzenden ESt-Hinweisen (z. B. H 6.2 EStH), zu. Bindende Wirkung erlangen sie zwar "nur" für Finanzbehörden. Für steuerliche Zwecke ist ihre Richtigkeit aber zu vermuten, weshalb ein Abweichen nachvollziehbarer Gründe bedarf (mit der Selbstbindung der Verwaltung und unter Berücksichtigung des Prinzips der gleichmäßigen Besteuerung sind Verwaltungsanweisungen auch von Steuergerichten zu beachten, soweit ihre Anwendung nicht zu einer unzutreffenden Besteuerung führen würde; so der BFH zur Bedeutung der AfA-Tabellen in BFH, Urteil v. 14.4.2011, IV R 46/09, Rz. 32).

1 Grundlagen der Anschaffungskosten

1.1 Der Wertmaßstab Anschaffungskosten

Anschaffungskosten sind als Zugangswerte für die von Dritten erworbenen Vorratsgüter anzusetzen. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB definiert sie als "die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können". Diese Definition gilt auch für die Bewertung in der Steuerbilanz.[1]

Als Wertmaßstab ("Aufwendungen") umfassen die Anschaffungskosten nur aufwandsgleiche Kosten. Rein kalkulatorische Elemente sind nicht zu berücksichtigen. Von ihrer Zweckbestimmung her ("um zu erwerben") müssen die Anschaffungskosten unmittelbar auf den Erwerb eines Vermögensgegenstands respektive auf seine Versetzung in einen betriebsbereiten Zustand gerichtet sein. Nach dem darin zum Ausdruck kommenden Prinzip der Maßgeblichkeit der Gegenleistung genügt ein nur zeitlicher oder nur mittelbarer Zusammenhang mit der Anschaffung nicht. Andererseits kommt es nicht darauf an, ob die Aufwendungen für den Erwerb objektiv notwendig waren.[2] Schließlich müssen die Aufwendungen dem beschafften Vermögensgegenstand einzeln zurechenbar sein. Gemeinkosten sind von einer Aktivierung ausgeschlossen.[3]

Einzelkosten können dem jeweiligen Kostenträger nach Menge oder Zeit unmittelbar zugerechnet werden (Kostenträgereinzelkosten). Schlüsselungen, die sich ausschließlich auf den Wert des eingesetzten Produktionsfaktors beziehen, berühren den Einzelkostencharakter nicht. Bezugsobjekt ist der nach den allgemeinen Grundsätzen abgegrenzte Vermögensgegenstand, also die jeweilige Leistungseinheit. Einzelkosten sind stets variable Kosten, d. h., ihre Höhe verändert sich mit dem Beschäftigungsgrad. Sie fallen nicht an, wenn auf die Herstellung des Vermögensgegenstands verzichtet wird.

[2] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995 ff., § 255 HGB, Tz. 8.

1.2 Abgrenzung von den Herstellungskosten

In Abgrenzung zu den Herstellungskosten sind Anschaffungskosten auf die Überführung eines existierenden Vermögensgegenstands von einer fremden in die eigene Verfügungsgewalt gerichtet.[1] Das kennzeichnet den derivativen Erwerb als einen zeitpunktbezogenen Vorgang. Da mit dem Erhalt der Verfügungs...

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