Leitsatz

Auch Einlagen eines atypisch stillen Gesellschafters, die er zum Ausgleich seines negativen Kapitalkontos geleistet hat und die nicht durch ausgleichsfähige Verluste verbraucht wurden (sog. vorgezogene Einlagen), sind geeignet, die Verluste späterer Wirtschaftsjahre als ausgleichsfähig zu qualifizieren (Fortentwicklung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

§ 15a EStG

 

Sachverhalt

Eine atypisch stille Gesellschaft war ohne Aufdeckung stiller Reserven in eine GbR überführt worden. Im Dezember 2001 vereinbarten die Gesellschafter eine "Rückumwandlung" in eine atypisch stille Gesellschaft. Der atypisch stille Gesellschafter leistete in diesem Jahr zum Ausgleich seines negativen Kapitalkontos eine Einlage, die seinen Verlustanteil um ca. 64 000 DM überstieg, aber nur zu einem positiven Kapitalkonto von ca. 14 000 DM führte.

Im Folgejahr 2002 ergab sich durch erneute Verlustanteile wieder ein negatives Kapitalkonto. Von den Verlusten behandelte das FA als ausgleichsfähig nur den Betrag des positiven Kapitalkontos am Ende des Vorjahrs.

Der Gesellschafter beanspruchte einen höheren ausgleichfähigen Verlust, nämlich in Höhe des Betrags seiner den Verlustanteil des Vorjahrs übersteigenden Einlage, auch soweit sie nicht zu einem positiven Kapitalkonto geführt hatte.

Das FG entsprach dem Begehren des Gesellschafters (EFG 2007, 1236).

 

Entscheidung

Das FA unterlag auch im Revisionsverfahren. Der BFH bestätigte seine Rechtsprechung zum sog. Korrekturposten bei vorgezogenen Einlagen und erstreckte sie auch auf atypisch stille Gesellschaften.

 

Hinweis

1. Das Urteil enthält mehr grundsätzliche Aussagen, als der Leitsatz erkennen lässt. Die Rechtsprechung zum Korrekturposten bei § 15a EStG wird nicht nur erweitert (hierzu nachstehend 2.). Der BFH bestätigt auch seine Rechtsprechung zum Wechsel der Gesellschafterstellung im laufenden Wirtschaftsjahr (unter 3.). Außerdem nimmt er zur "Umwandlung" von einer GbR in eine atypisch stille Gesellschaft und umgekehrt Stellung (unter 4.).

2. Mit Urteilen vom 14.10.2003, VIII R 32/01 (BFH-PR 2004, 54) und vom 26.06.2007, IV R 28/06 (BFH-PR 2007, 451) hatte der BFH entschieden, dass Einlagen, die zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos geleistet und im Wirtschaftsjahr der Einlage nicht durch ausgleichsfähige Verluste verbraucht werden, zum Ansatz eines Korrekturpostens mit der weiteren Folge führen, dass Verluste späterer Wirtschaftsjahre bis zum Verbrauch dieses Postens auch dann als ausgleichsfähig zu qualifizieren sind, wenn hierdurch (erneut) ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Diese Rechtsprechung wird neuerdings auch von der Finanzverwaltung akzeptiert (BMF, Schreiben vom 19.11.2007, BStBl I 2007, 823).

Diese Rechtsprechung setzt der BFH im Besprechungsfall fort, in dem das FA noch die frühere ablehnende Haltung der Finanzverwaltung vertreten hatte. Zugleich macht der BFH deutlich, dass er alle von § 15a EStG betroffenen Mitunternehmer gleich behandeln will. Es kommt danach nicht darauf an, ob der Mitunternehmer nach der Art seiner Stellung überhaupt in den Genuss einer Verlustnutzung infolge überschießender Außenhaftung nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG kommen kann. Die Regelung gilt nämlich nur für im Handelsregister eingetragene Kommanditisten. In den Genuss des Korrekturpostens sollen aber alle Mitunternehmer kommen können, also auch der atypisch stille Gesellschafter.

3. Da der atypisch stille Gesellschafter im Besprechungsfall erst kurz vor Ende des Wirtschaftsjahrs aus der Stellung eines unbeschränkt haftenden GbR-Gesellschafters in die beschränkte Haftung gewechselt war, kam es für die Entscheidung darauf an, ob die Verlustanteile des ganzen Jahrs von § 15a EStG betroffen waren oder nur die nach dem Wechsel entstandenen Verluste. In diesem Punkt bekräftigt der BFH seine im Urteil vom 14.10.2003, VIII R 81/02 (BFH-PR 2004, 56) entwickelte Auffassung, dass bei einem Wechsel der Gesellschafterstellung während des laufenden Wirtschaftsjahrs für die Anwendung des § 15a EStG immer auf die Stellung am Schluss des Wirtschaftsjahrs abzustellen ist. Auch ein kurz vor Ende des Wirtschaftsjahrs stattfindender Wechsel betrifft danach die Verluste des gesamten Jahrs.

4. Dem BFH bot sich außerdem die Gelegenheit, nach langer Zeit wieder einmal auf die Frage einzugehen, ob die "formwechselnde Umwandlung" von einer Mitunternehmerschaft in einen anderen Mitunternehmerschaftstyp ein veräußerungsähnlicher Vorgang ist.

Zivilrechtlich gibt es einen solchen identitätswahrenden Formwechsel nicht. Einkommensteuerrechtlich behandelt der BFH eine solche Umstrukturierung aber wie einen bloßen Formwechsel. Es besteht deshalb nicht die Gefahr, dass unbeabsichtigt stille Reserven aufgedeckt werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.09.2007, IV R 10/07

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