Leitsatz

Bei der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Einstufung eines Fahrzeugs als Pkw oder Lkw macht das Fehlen einer vollständigen Trennwand zwischen dem Fahrgast- und dem Laderaum eine umfassende tatrichterliche Würdigung sämtlicher technischen Merkmale nicht entbehrlich.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 2 Satz 1, § 8 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 3 KraftStG, § 4 Abs. 4 Nr. 1, § 4 Abs. 4 Nr. 3 PBefG, § 30 Abs. 1 StVZO, § 100 Abs. 2 Satz 2, § 118 Abs. 1 Satz 1, § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO

 

Sachverhalt

Ein VW-Kleinbus wird – nach Umbau – in den Fahrzeugpapieren als "Lkw geschl. Kasten" bezeichnet.

Das Fahrzeug hat zwischen Fahrgast- und Laderaum eine halbhohe Trennwand, die kurz unterhalb der Oberkante der drei Sitze endet.

Das FA hat die Kfz-Steuer unter Zugrundelegung der Fahrzeugart Pkw festgesetzt.

Das deswegen angerufene FG urteilte, ein vollständige Abtrennung zwischen Fahrgast- und Laderaum als Schutzvorrichtung für Fahrer und Beifahrer (ob als feste Trennwand oder Trenngitter oder Trennscheibe, mit oder ohne Durchgang zum Laderaum) sei ein wesentliches und unverzichtbares Merkmal für die Einstufung als Lkw.

Eine Einstufung als Lkw scheide deshalb aus, obwohl alle übrigen Merkmale des Fahrzeugs für eine überwiegende Eignung und Bestimmung des Kfz zu Transportzwecken sprächen.

 

Entscheidung

Eine vollständige Trennwand zwischen Fahrgastraum und Laderaum ist kein schlechthin notwendiges Merkmal eines Lkw. Die FG-Entscheidung verletzte folglich Bundesrecht. Der BFH hat sie aufgehoben und der Klage stattgegeben, weil er meinte dem FG-Urteil die bindende Feststellung entnehmen zu können, das Fahrzeug sei als Lkw einzustufen, wenn man von der fehlenden vollständigen Abtrennung des Laderaums absehe. Dass die Einordnung möglicherweise hätte "kippen" können, wenn man diesen Mangel in die Gesamtwürdigung (nicht als notwendige Bedingung für die Einstufung als Lkw, wohl aber als gewichtiges negatives Indiz) mit einbezieht, hat der BFH offenbar für ausgeschlossen gehalten.

 

Hinweis

Weder das KraftStG noch die RL 70/156/EWG noch die nach § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG maßgeblichen verkehrsrechtlichen Vorschriften enthalten Begriffsbestimmungen, was unter "Personenkraftwagen" und was unter "anderes Fahrzeug" i.S.d. § 8 Nr. 2 KraftStG zu verstehen ist.

Der (künftig für das KraftStG nicht mehr zuständige) VII. Senat des BFH hat jedoch in einer langen Reihe von Entscheidungen Kriterien für diese Unterscheidung entwickelt, die durch die Begriffsbestimmungen in § 4 Abs. 4 Personenbeförderungsgesetz eine gewisse Bestätigung finden. Danach kommt es für die Entscheidung, ob eine Eignung und objektive Bestimmung des Fahrzeugs zur Lastenbeförderung oder zur Personenbeförderung besteht, auf Bauart, Ausstattung und sonstige Einrichtung des Fahrzeugs an. Die objektive Beschaffenheit des Fahrzeugs ist unter Berücksichtigung aller Merkmale in ihrer Gesamtheit vom Tatsachengericht zu bewerten; zu berücksichtigen sind z.B. die Zahl der Sitzplätze, die erreichbare Höchstgeschwindigkeit, die Größe der Ladefläche, die Ausstattung des Fonds mit Sitzen und Sicherheitsgurten oder für deren Einbau geeigneten Befestigungspunkten, das Fahrgestell, die Motorisierung und die Gestaltung der Karosserie.

Im Fall des Umbaus eines Pkw zum Lkw, aber auch bei einer werksseitigen Sonderausführung eines Serienmodells ist zu prüfen, ob sich die durch den Umbau geschaffenen Lkw-typischen Einrichtungen und Merkmale gegen die zahlreichen, in aller Regel bei einem Umbau nicht veränderten Baumerkmale, welche den Charakter des Fahrzeugs als Pkw bisher bestimmten, "durchsetzen" (BFH, Urteil vom 1.8.2000, VII R 26/99, BFH-PR 2001, 77).

Keines der Merkmale von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs ist als allein entscheidend anzusehen, wenn auch einzelne Merkmale ein besonderes Gewicht haben und die Zuordnung zum Typus des Pkw oder des Lkw indizieren.

Es liegt auf der Hand, dass diese Rechtsprechung die Zuordnung im Einzelfall nicht leicht macht und unterschiedliche Entscheidungen der FG zu demselben Fahrzeug nicht verhindern kann. Auch der BFH kann dann nur eingeschränkt rechtsvereinheitlichend wirken, weil die Gesamtwürdigung solcher Merkmale durch den Tatrichter ihn nach § 118 Abs. 1 FGO bindet!

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.11.2006, VII R 11/06

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