Rz. 1210

Die Einlagen auf die neuen Geschäftsanteile[1] dürfen grundsätzlich erst nach Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses und Übernahme der neuen Anteile geleistet werden. Ausnahmsweise erkennt der BGH die Tilgungswirkung einer vor Beurkundung des Kapitalerhöhungsbeschlusses geleisteten Zahlung (Voreinzahlung) jedoch an, wenn sich die Zahlung als solche – also nicht nur wertmäßig –[2] bei Beschlussfassung noch zweifelsfrei im Gesellschaftsvermögen befindet.[3]

 

Kapitalerhöhungen zu Sanierungszwecken

Problematisch stellt sich die Rechtsprechung des BGH in Sanierungsfällen dar, wenn die Gesellschaft die durch die Kapitalerhöhung bezweckte Kapitalzufuhr sofort benötigt, ohne auf die Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung warten zu können. Deshalb soll nach dem BGH bei Kapitalerhöhungen zu Sanierungszwecken die Tilgungswirkung unabhängig vom unversehrten Fortbestand des eingezahlten Kapitals eintreten, wenn:[4]

  • ein akuter Sanierungsfall/Krise vorliegt, der zum Gelingen der Sanierung eine Voreinzahlung zwingend erfordert, weil andere Maßnahmen (z. B. die Einzahlung von Mitteln in die Kapitalrücklage oder auf ein gesondertes, der Haftung für einen bestehenden Bankkredit nicht unterliegendes Sonderkonto) nicht zum Ziel führten und die Gesellschaft wegen des engen zeitlichen Rahmens der Insolvenzantragspflichten sofort über frische Mittel verfügen muss (Subsidiarität);[5]
  • der Gesellschafter nach der pflichtgemäßen Einschätzung eines objektiven Dritten subjektiv sanierungswillig und die Gesellschaft durch die Voreinzahlung objektiv sanierungsfähig ist;
  • die Voreinzahlung eindeutig als auf eine bestehende Kapitalerhöhung gerichtet gekennzeichnet ist (Tilgungszweck);
  • ein enger zeitlicher Zusammenhang durch Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Kapitalerhöhung innerhalb der kürzesten bei Beschleunigung möglichen Frist über die Kapitalerhöhung besteht;[6] und
  • der Kapitalerhöhungsbeschluss und die Anmeldung der Kapitalerhöhung auf die Voreinzahlung und deren Zeitpunkt Bezug nehmen (Publizität).
 

Rz. 1211

Teile der Literatur fordern, die unter Rn. 1210 dargestellte Ausnahme nicht nur auf Sanierungsfälle zu erstrecken. Vielmehr soll es für die Tilgungswirkung unabhängig vom tatsächlichen Fortbestand der Einlage ausreichen, wenn (i) zwischen Vorleistung und Kapitalerhöhung ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht, (ii) die Leistung des Gesellschafters erkennbar als Voreinzahlung erfolgt und (iii) die Vorleistung im Kapitalerhöhungsbeschluss sowie in der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister offengelegt ist.[7]

 

Rz. 1212

Hat die Voreinzahlung nach dem Vorgesagten keine Tilgungswirkung, kann der Gesellschafter den ihm deshalb zustehenden Bereicherungsanspruch im Wege einer Sacheinlage in die Gesellschaft einbringen.[8]

[1] Für diese gelten die Regelungen zur Kapitalaufbringung wie bei der Gründung, siehe dazu Rn. 294 ff.
[2] Dies ist der Fall, wenn der Betrag sich in der Kasse der Gesellschaft befindet oder der Gesellschafter auf ein Konto der Gesellschaft einzahlt und dieses fortdauernd bis zur Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses ein Guthaben in entsprechender Höhe ausweist. Es reicht nicht aus, wenn der Überweisungsbetrag mit Schulden der Gesellschaft verrechnet wird.
[5] Eine Krise liegt nach dem BGH bei drohender Zahlungsfähigkeit oder Überschuldung vor. Zu diesen Begriffen siehe Kapitel VIII.
[6] Dies ist anzunehmen, wenn die Kapitalerhöhung bei Voreinzahlung bereits konkret in die Wege geleitet ist (z. B. durch Einberufung der Gesellschafterversammlung) und die Gesellschafterversammlung mit aller gebotenen Beschleunigung zur Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung (falls möglich, unter Verzicht auf die Ladungsfristen) zusammentritt (so Bayer, in Lutter/Hommelhoff § 56 Rn. 21c.
[7] Lieder, in MüKo-GmbHG, § 56a Rn. 28 ff.; Zöllner/Fastrich, in Baumbach/Hueck § 56a Rn. 14 f. Priester, in Scholz, § 56a Rn. 21.
[8] Roth, in Roth/Altmeppen, § 56a Rn. 18; Bayer, in Lutter/Hommelhoff, § 56 Rn. 23.

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