Leitsatz (amtlich)

Im Kapitalaufbringungssystem der GmbH bildet der Kapitalerhöhungsbeschluss die maßgebliche Zäsur. Voreinzahlungen auf die künftige Kapitalerhöhung haben schuldtilgende Wirkung nur dann, wenn der eingezahlte Betrag im Zeitpunkt der Fassung des Erhöhungsbeschlusses noch als solcher im Vermögen der Gesellschaft vorhanden ist. Dem steht es nicht gleich, dass auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft eingezahlt wird und die Bank nach Verrechnung der Gutschrift eine Verfügung über den Einlagebetrag zulässt (Klarstellung von BGH, Urt. v. 21.6.1996 - II ZR 98/95, GmbHR 1996, 772 = ZIP 1996, 1466).

 

Normenkette

GmbHG §§ 55, 57 Abs. 2, § 7 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.06.2001)

LG Wiesbaden (Urteil vom 24.08.2000)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 10. Zivilsenats des OLG Frankfurt am Main v. 8.6.2001 aufgehoben und das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Wiesbaden v. 24.8.2000 abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 511.291,88 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 23.12.1996 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte ist der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der G. GmbH. Über deren Vermögen ist Ende 1999 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

Die Gemeinschuldnerin war ursprünglich mit einem Stammkapital von 50.000 DM ausgestattet. Am 23.12.1996 beschloss der Beklagte die Erhöhung des Stammkapitals um 1,45 Mio. DM und übernahm die auf das erhöhte Kapital zu leistende Stammeinlage. 1 Mio. DM sollten sofort auf dem Wege der Bareinlage eingezahlt werden, während der Restbetrag durch Einbringung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs des Beklagten gegen die GmbH aufgebracht werden sollte. In der Anmeldung der Kapitalerhöhung v. 23.12.1996 versicherte der Beklagte, "dass die Einlagen auf das neue Stammkapital in voller Höhe bewirkt sind und dass die Einlagen der Geschäftsführung endgültig auflagenfrei und frei von jeglichen Schulden oder Rechten Dritter zur freien Verfügung stehen". Den bar zu erbringenden Teil seiner Einlageschuld hatte der Beklagte bereits wenige Tage vor dem Kapitalerhöhungsbeschluss, am 19.12.1996, auf das Geschäftskonto der Gesellschaft eingezahlt. Dieses wurde - bei geduldeter Überziehung - zu dieser Zeit im Debet geführt und wies am 18.12.1996, am Tag vor der Einzahlung, einen Saldo von 1.452.978,13 DM zu Lasten der Gesellschaft auf. Nach Gutschrift der als "Stammeinlage G. GmbH" gekennzeichneten Einzahlung am 19.12.1996 und weiteren Buchungen lag der Debetsaldo auf diesem Konto der Gesellschaft bei 436.729,84 DM.

Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte habe seine Einlageschuld durch die genannte Zahlung nicht ordnungsgemäß erfüllt. Seine Zahlungsklage hatte vor dem LG und dem OLG keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Der Kläger verlangt mit Recht von dem Beklagten Erfüllung seiner Einlageschuld i. H. v. 1 Mio. DM zzgl. Zinsen.

Durch die Überweisung des genannten Betrages v. 19.12.1996 und die entsprechende Gutschrift auf dem im Debet geführten Kreditkonto der Gemeinschuldnerin am selben Tage ist diese Einlageschuld des Beklagten nicht getilgt worden. Da die Zahlung bewirkt wurde, bevor der Beklagte als Alleingesellschafter die Kapitalerhöhung beschlossen hat, handelt es sich um eine sog. Zahlung auf künftige Einlageschuld; diese hat - ob etwas anderes gilt, wenn diese Verfahrensweise aus Sanierungsgründen geboten ist, hat der Senat bisher nicht entschieden (vgl. dazu zuletzt BGH v. 18.9.2000 - II ZR 365/98, BGHZ 145, 150 = GmbHR 2000, 1198, zur sog. "Voreinbringung" auf künftige Einlageschuld; ferner Urt. v. 7.11.1994 - II ZR 248/93, AG 1995, 133 = GmbHR 1995, 113 = MDR 1995, 1131 = NJW 1995, 460) und bedarf auch hier keiner Entscheidung - allein dann schuldtilgende Wirkung, wenn der eingezahlte Betrag im Zeitpunkt des Erhöhungsbeschlusses als solcher noch im Vermögen der Gesellschaft vorhanden ist (BGH BGHZ 51, 157 [159], m. w. N.; Urt. v. 7.11.1966 - II ZR 136/64, NJW 1967, 44; Urt. v. 21.6.1996 - II ZR 98/95, GmbHR 1996, 772 = ZIP 1996, 1466 f.; für die Sacheinlage BGH v. 18.9.2000 - II ZR 365/98, BGHZ 145, 150 ff. = GmbHR 2000, 1198). Erfüllt ist diese Voraussetzung, wenn der geschuldete Betrag sich entweder in der Kasse der Gesellschaft befindet oder wenn der Gesellschafter auf ein Konto der Gesellschaft einzahlt und dieses anschließend und fortdauernd bis zur Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses ein Guthaben in entsprechender Höhe ausweist.

Dagegen reicht es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, das sich hierbei allerdings auf die vereinzelt gebliebene Entscheidung des Senats v. 21.6.1996 (BGH, Urt. v. 21.6.1996 - II ZR 98/95, GmbHR 1996, 772 = ZIP 1996, 1466) beruft, nicht aus, dass der Überweisungsbetrag mit Schulden der Gesellschaft verrechnet wird; das gilt selbst dann, wenn das Kreditinstitut eine erneute Verfügung über das Kreditkonto in entsprechender Höhe gestattet. Soweit dem genannten Urteil Gegenteiliges entnommen werden könnte, hält der Senat hieran nicht fest.

Im Kapitalaufbringungssystem des GmbHG bildet der Kapitalerhöhungsbeschluss die maßgebende Zäsur, nach der sich nicht nur bestimmt, in welcher Weise der Gesellschafter, der zur Übernahme des neu geschaffenen Geschäftsanteils zugelassen wird, seine Einlage zu erfüllen hat, sondern von der ab der Geschäftsführer auch ihm auf Grund dieses Beschlusses zugegangene Einlageleistungen für Zwecke der Gesellschaft - etwa zur Tilgung einer Kreditschuld - verwenden darf, ohne dass der Gesellschafter Gefahr läuft, von seiner Einlageverpflichtung nicht frei zu werden (s. BGH v. 18.3.2002 - II ZR 363/00, BGHZ 150, 197 ff. = BGHReport 2002, 500 = MDR 2002, 1076 = AG 2002, 456). Ist eine Bareinlage vereinbart, kann der geschuldete Betrag grundsätzlich erst ab diesem Zeitpunkt eingezahlt werden; vorher an die Gesellschaft erbrachte Geldleistungen werden nach dem Kapitalaufbringungssystem des GmbHG grundsätzlich nicht als Zahlungen auf die geschuldete Bareinlage anerkannt. Einlagegegenstand ist in diesem Fall vielmehr die entsprechende Rückzahlungsforderung, die nur auf dem Wege einer offen zu legenden und der registergerichtlichen Prüfung zu unterwerfenden Sacheinlage eingebracht werden kann. Hiervon macht der Senat - aus Gründen der Vereinfachung der Abwicklung - allein für den oben genannten Fall eine Ausnahme, dass sich der vorher eingezahlte Betrag als solcher - also nicht nur wertmäßig - im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung zweifelsfrei noch im Gesellschaftsvermögen befindet. Wollte man demgegenüber auch einer Voreinzahlung auf ein debitorisches Gesellschaftskonto schuldtilgende Wirkung beimessen, soweit das Kreditinstitut eine abermalige Verfügung über den Einzahlungsbetrag zulässt, würde der grundlegende Zweck der Kapitalaufbringungsvorschriften, im Interesse der Gesellschaftsgläubiger präventiv für eine transparente und zweifelsfreie Erfüllung der Einlageverpflichtungen und eine dadurch eintretende Stärkung der Liquidität der Gesellschaft zu sorgen, nicht erreicht. Vielmehr würde es den Beteiligten gestattet, sich der vom Gesetzgeber aus guten Gründen vorgeschriebenen Publizität und präventiven registergerichtlichen Kontrolle des Kapitalaufbringungsvorgangs zu entziehen, und die Klärung, ob die Gesellschaft wenigstens wertmäßig durch die Vorgänge gestärkt worden ist, auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Gerade der zu entscheidende Fall macht die dadurch eintretenden Schwierigkeiten nachdrücklich deutlich, wenn die Parteien nach Jahren darum streiten, ob der Beklagte als alleiniger Geschäftsführer auf Grund der Überweisung v. 19.12.1996 über einen Zuwachs an Liquidität hat verfügen können, weil die Hausbank der Gemeinschuldnerin nach der Verrechnung der Voreinzahlung weitere Verfügungen über das Konto zugelassen hat, oder ob der eingezahlte Betrag sogar mittelbar an den beklagten Inferenten zurückgezahlt worden ist und aus diesem Grund die Einlageschuld nicht getilgt worden ist (vgl. BGH v. 18.3.2002 - II ZR 363/00, BGHZ 150, 197 ff. = BGHReport 2002, 500 = MDR 2002, 1076 = AG 2002, 456).

 

Fundstellen

BGHZ 2005, 283

BB 2004, 957

DB 2004, 1036

DStR 2004, 782

DStZ 2004, 387

WPg 2004, 583

NJW 2004, 2592

Inf 2004, 370

NWB 2004, 1890

BBK 2004, 442

BGHR 2004, 953

EBE/BGH 2004, 2

GmbH-StB 2004, 165

DNotI-Report 2004, 91

EWiR 2004, 851

MittBayNot 2004, 372

NZG 2004, 515

StuB 2004, 663

StuB 2004, 707

WM 2004, 931

WuB 2004, 599

ZAP 2004, 816

ZIP 2004, 849

DNotZ 2004, 867

JZ 2004, 684

MDR 2004, 694

GmbHR 2004, 736

NJW-Spezial 2004, 79

NotBZ 2004, 235

RNotZ 2004, 267

ZBB 2004, 251

ZNotP 2004, 366

LMK 2004, 139

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