Die Regelungen zum Rücktritt bei Leistungsstörungen[1] laufen systematisch parallel zu denen zum Schadensersatz. Nach dem Vorbild des UN-Kaufrechts ist das Rücktrittsrecht jedoch verschuldensunabhängig. Für den Fall der Unmöglichkeit wird es durch eine gesetzliche Leistungsbefreiung ergänzt.

Der Gläubiger kann von einem gegenseitigen Vertrag zurücktreten, wenn

  • der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht hat und
  • eine vom Gläubiger gesetzte, angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung erfolglos geblieben ist (§ 323 Abs. 1 BGB[2]).

Die Fälle der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung nennt § 323 Abs. 2 BGB. Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, etwa weil das geschuldete Verhalten in einem Unterlassen besteht, so tritt an ihre Stelle eine Abmahnung.[3]

Der Rücktritt ist ausgeschlossen,

  • wenn im Falle der Schlechtleistung die Pflichtverletzung unerheblich ist,[4]
  • wenn der Rücktrittsgrund ganz oder weit überwiegend in die Verantwortung des Gläubigers fällt[5] oder
  • wenn ein vom Schuldner nicht zu vertretender Rücktrittsgrund während des Annahmeverzuges des Gläubigers eintritt.[6]

Für den Fall der teilweise vertragsgemäß erbrachten Leistung steht der Rücktritt vom ganzen Vertrag unter der Voraussetzung, dass der Gläubiger "an der Teilleistung kein Interesse hat".[7]

Wie in § 281 BGB ( "Schadensersatz statt der Leistung") ist eine Ablehnungsandrohung nicht erforderlich. Auch kann der Gläubiger seinen ursprünglichen Erfüllungsanspruch aufrechterhalten; dieser geht erst mit der gestaltenden Rücktrittserklärung, die das Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandelt,[8] unter.

[2] § 323 BGB stellt im Falle der Nichterbringung der Leistung nicht auf den Verzug nach § 286 BGB ab; im Ergebnis steht aber die Fristsetzung des § 323 Abs 1 BGB der Mahnung gleich.

3.6.1 Rücktritt bei Verletzung nicht leistungsbezogener Nebenpflichten

Nach 324 Abs. 1 BGB[1] kann der Gläubiger von einem gegenseitigen Vertrag zurücktreten, wenn

  • der Schuldner eine nicht leistungsbezogene Schutz- oder sonstige Verhaltenspflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB[2] verletzt hat und
  • dem Gläubiger ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten ist.

Wie in der parallelen Regelung des § 282 BGB zum "Schadensersatz statt der Leistung wegen Verletzung einer Pflicht nach § 241 Abs. 2 BGB" wird auch im Falle des Rücktritts wegen Verletzung nicht leistungsbezogener Vertragspflichten auf das Erfordernis der Fristsetzung verzichtet. Durch das Kriterium der Unzumutbarkeit wird sichergestellt, dass der Gläubiger eine marginale Verletzung der Pflichten des § 241 Abs. 2 BGB nicht zum ungerechtfertigten "Ausstieg" aus dem Vertrag nutzen kann.

[1] Die Vorschrift geht in ihrem Anwendungsbereich § 323 BGB als speziellere Regelung (lex specialis) vor.
[2] S. oben Tz. 1.3

3.6.2 Optionaler Rücktritt bei Unmöglichkeit

In den Fällen der Unmöglichkeit der Leistung entfällt nach § 275 BGB der Anspruch auf die Gegenleistung kraft Gesetzes (§ 326 Abs. 1 BGB[1]). Insoweit bedarf es keines Rücktritts des Gläubigers, um von der Gegenleistungspflicht frei zu werden. Eine danach nicht geschuldete, aber bereits erbrachte Gegenleistung kann zurückgefordert werden.[2] Ungeachtet der gesetzlichen Regelung in § 326 Abs. 1 BGB steht dem Gläubiger jedoch auch in den Fällen der Unmöglichkeit der Rücktritt offen.[3]

§ 323 BGB gilt dafür entsprechend, mit der Maßgabe, dass die Fristsetzung entbehrlich ist. Die Rücktrittsoption auch für den Fall der Unmöglichkeit der Leistung ist für den Gläubiger in den Fällen vorteilhaft, in denen die Leistung ausbleibt, ohne dass der Gläubiger den Grund dafür kennt: Er kann in jedem Falle zurücktreten und erhält so die Sicherheit, von der Gegenleistung befreit zu werden.[4]

[1] Ausgenommen sind nach Abs. 1 Satz 2 die Fälle, in denen der Schuldner, der bereits nicht vertragsgemäß geleistet hat, das Nacherfüllungsbegehren des Gläubigers nach § 275 BGB nicht zu erfüllen braucht.
[4] Die Fristsetzung kann sich der Gläubiger freilich nur in den Fällen des § 323 Abs. 2 oder des § 326 Abs. 5 BGB ersparen.

3.6.3 Rücktritt und Schadensersatz, Rückabwicklungsschuldverhältnis

Rücktritt und Schadensersatz können nebeneinander geltend gemacht werden. § 325 BGB[1] bestimmt: "Das Recht, bei einem gegenseitigen Vertrag Schadensersatz zu verlangen, wird durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen."

Für Störungen der Rückabwicklung nach erfolgtem Rücktritt (Untergang, Verbrauch, Verarbeitung usw. der empfangenen Sache) ist ein grundsätzlich einheitliches Modell der Abwicklung nach dem Werte (Wertersatz) vorgesehen.[2]

[1] Art. 45 Abs. 2 UN-Kaufrecht.

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