Kommentar

Die Finanzverwaltung reagiert auf eine positive Entscheidung des BFH und erkennt Grundsätze der neuen Rechtsprechung an[1].

Der BFH hatte mit Urteil vom 20.6.2012[2] seine bisherige Rechtsprechung zum Abzug nachträglich entstandener Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aufgegeben. Danach waren Schuldzinsen für Darlehen, die zur Finanzierung einer fremdvermieteten, im Privatvermögen befindlichen Immobilie, nicht als Werbungskosten absetzbar, wenn die Immobilie später mit Verlust veräußert wurde und der Verkaufserlös nicht zur Ablösung des Darlehens ausreichte.

Der BFH begründet seinen Sinneswandel mit der durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 eingeführten Ausdehnung der "Spekulationsfrist" in § 23 EStG auf 10 Jahre. Damit seien die Wertsteigerungen einer im Privatvermögen gehaltenen Immobilie nicht mehr dem außersteuerlichen Bereich zuzuordnen, sodass nachträgliche Schuldzinsen als Werbungskosten grundsätzlich anzuerkennen seien. Allerdings hatte der BFH den Schuldzinsenabzug nur eingeschränkt bewilligt. Die Finanzverwaltung hat nunmehr auf dieses Urteil reagiert, und erkennt den Werbungskostenabzug unter folgenden Voraussetzungen an:

1. Darlehen muss Immobilienerwerb dienen

Das Darlehen muss ausschließlich dem Erwerb der Immobilie gedient haben. Entscheidend ist die erstmalige Verwendung der Darlehensvaluta: wurde diese zum Erwerb des vermieteten Objekts verwendet, kann die zweckentsprechende Verwendung der Mittel unterstellt werden.

2. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung müssen bis zum Verkauf der Immobilie bestanden haben

Die Vermietungstätigkeit muss bis zum Verkauf der Immobilie fortbestanden haben; sie darf nicht vor Veräußerung der Immobilie – etwa durch eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken – vorher weggefallen sein. Insbesondere wenn bei Verkauf die Wohnung leer stand, ist nicht immer klar, ob die Vermietung noch fortbestand. Die Finanzverwaltung verweist bei Zweifelsfragen auf das frühere BMF-Schreiben vom 8.10.2004[3].

Hinweis: Gerade wenn es schwierig ist, Nachmieter zu finden, sind die Steuerpflichtigen oft bereit, Verluste bei der Veräußerung hinzunehmen, um sich von der Immobilie zu trennen. Hier sollten Mandanten Nachweise vorhalten, die belegen, dass bis zum Verkauf Vermietungsabsicht bestand. So sollten Unterlagen, aus denen sich die Beauftragung eines Maklers, der mit der Suche nach Nachmietern beauftragt wurde, ebenso verwahrt werden wie Zeitungsausschnitte, die beweisen, dass Nachmieter durch gezielte Anzeigen gesucht wurden.

3. Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung beachten

Die Finanzverwaltung betont in Übereinstimmung mit dem BFH ausdrücklich, dass für den nachträglichen Werbungskostenabzug nur Raum ist, wenn der durch den Verkauf der Immobilie erzielte Verkaufspreis zunächst zur Ablösung des Darlehens verwendet wurde. Wird der Verkaufserlös nicht zur Ablösung des Darlehens genutzt, können die Schuldzinsen für den nicht getilgten Darlehensbetrag nicht als nachträgliche Werbungskosten abgesetzt werden.

4. Abzug der Werbungskosten nur bei Veräußerung innerhalb der 10-Jahres-Frist

Der BFH begründete seine geänderte Rechtsprechung mit der Änderung des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG. Allerdings konnte der BFH in seiner Entscheidung offen lassen, ob seine geänderte Rechtsprechung auch auf Fälle anzuwenden ist, in denen die Veräußerung nach Ablauf der 10-Jahres-Frist erfolgte, da es im Entscheidungsfall nicht darauf ankam (die Veräußerung war innerhalb der 10-Jahres-Frist erfolgt). Die Finanzverwaltung ist der Auffassung, dass der Werbungskostenabzug nur zulässig ist, wenn die Veräußerung innerhalb der 10-Jahres-Frist erfolgt ist.

Praxishinweis: Steht ein Veräußerungsverlust im Raum, sollte die Veräußerung – wenn möglich – noch innerhalb der 10-Jahres-Frist erfolgen; denn nur dann will die Finanzverwaltung die Kosten für ein weiterzuführendes Darlehen als nachträgliche Werbungskosten anerkennen. Aber Achtung: Hier lauert eine Haftungsfalle! Bei der Berechnung des Veräußerungsverlusts muss unbedingt berücksichtigt werden, dass die auf die Immobilie vorgenommenen Abschreibungen nach § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG von den Anschaffungs- und Herstellungskosten abzuziehen sind. Dieser gesetzlich vorgegebene Rechenschritt kann sich entscheidend darauf auswirken, ob durch eine Veräußerung ein Verlust oder ein Überschuss entsteht. Gerade wenn dem Mandanten empfohlen wird, noch kurz vor Ablauf der 10-Jahres-Frist zu verkaufen, etwa um den Werbungskostenabzug für weiterlaufende Finanzierungskosten zu "retten", muss sichergestellt sein, dass tatsächlich ein Verlust entsteht. Entsteht durch den Verkauf hingegen ein Überschuss, kann es sinnvoll sein, den Ablauf der Frist abzuwarten.

Keine Anwendung der neuen Rechtsprechung auf sog. Altfälle

In sog. Altfällen, in denen die Veräußerung auf einem vor dem 1.1.1999 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden Rechtsakt beruht, soll nach Auffassung des Fiskus die geänderte Rechtsprechun...

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