Negative Einkünfte können einem Arbeitnehmer auch durch Aufwendungen vor dem Beginn seiner eigentlichen Tätigkeit entstehen. Diese "vorab entstandenen oder vorweggenommenen Werbungskosten"[1] sind steuerlich anzuerkennen, wenn zwischen ihnen und einer in Aussicht genommenen Tätigkeit zur Erzielung von Arbeitseinkünften ein hinreichend konkreter Zusammenhang besteht.[2] Das kann auch eine Umschulungs- oder Qualifizierungsmaßnahme sein.[3][4]

 
Praxis-Beispiel

Beispiel aus der aktuellen Rechtsprechung

Die Ausbildung zum Rettungshelfer ist eine Berufsausbildung i. S. d. § 9 Abs. 6 EStG. Die Aufwendungen für eine nachfolgende Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer können daher als – vorweggenommene – Werbungskosten abgezogen werden.[5]

Hingegen können Aufwendungen für eine Berufsausbildung ohne den vorherigen Abschluss einer Erstausbildung nicht als Werbungskosten abgezogen werden, auch wenn der Steuerpflichtige zuvor langjährig Einkünfte aus einer gewerblichen Tätigkeit erzielt hat.[6]

Ob und in welchem Umfang die Aufwendungen für das Herrichten eines häuslichen Arbeitszimmers für eine nachfolgende berufliche Tätigkeit als Werbungskosten abziehbar sind, bestimmt sich nach den zu erwartenden Umständen der späteren beruflichen Tätigkeit.[7] Nicht entscheidend ist, ob die beabsichtigte berufliche Nutzung im Jahr des Aufwands bereits begonnen hat.[8]

Auch ist unerheblich, ob der Arbeitnehmer Arbeitslosengeld oder sonstige für seinen Unterhalt bestimmte steuerfreie Leistungen erhält.[9]

Im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung können Aufwendungen für eine Wohnung nur dann nach § 9 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als vorab entstandene Werbungskosten abgezogen werden, wenn der Steuerpflichtige endgültig den Entschluss gefasst hat, die Wohnung zukünftig im Rahmen einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung zu nutzen.[10]

Diese Grundsätze gelten für alle Überschusseinkunftsarten sowie entsprechend bei Gewinneinkünften, bei denen es sich dann um vorweggenommene Betriebsausgaben handelt.[11]

 
Hinweis

Erwerb einer Beteiligung

Die Frage, ob vergebliche Aufwendungen für den Erwerb einer Kapitalbeteiligung vorweggenommene Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit darstellen, wenn ein enger Zusammenhang mit einer angestrebten Anstellung als Vorstand in der – noch zu gründenden – Kapitalgesellschaft bestand und die geplante Beteiligung lediglich 10 % betragen sollte, hat der BFH verneint.[12]

[1] H 9.1 LStH "Vorweggenommene Werbungskosten".
[4] Zu den Kosten für berufliche Erstausbildung und Erststudium ­unmittelbar nach Schulabschluss s. Aus- und Fortbildungskosten als Werbungskosten sowie (Erst-)Ausbildungskosten als Sonderausgaben.
[7] BMF, Schreiben v. 6.10.2017, IV C 6 – S 2145/07/10002 :19, BStBl 2017 I S. 1320, Rz. 24a; dieses Schreiben ist weiterhin anzuwenden, BMF, Schreiben v. 10.3.2023, IV A 2 – O 2000/22/10003 :001, Anlage 1 Nr. 678, BStBl 2023 I S. 406,

BFH, Urteil v. 19.8.2004, VI R 103/01, BFH/NV 2005 S. 48; BFH, Urteil v. 2.12.2005, VI R 63/03, BStBl 2006 II S. 329.

[11] BMF, Schreiben v. 6.10.2017, IV C 6 – S 2145/07/10002 :19, BStBl 2017 I S. 1320, Rz. 24a,

BFH, Urteil v. 15.11.2005, IX R 3/04, BStBl 2006 II S. 258; BFH, Urteil v. 28.3.2007, IX R 46/05, BFH/NV 2007 S. 1490; BFH, Urteil v. 19.2.2009, IV R 18/06, BStBl 2009 II S. 654; BFH, Urteil v. 18.8.2010, X R 30/07, BFH/NV 2011 S. 215; BFH, Urteil v. 24.5.2011, VIII R 3/09, BStBl 2012 II S. 254.

[12] H 9.1 EStH "Beteiligung am Arbeitgeberunternehmen",

BFH, Urteil v. 17.5.2017, VI R 1/16, BStBl 2017 II S. 1073.

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